Revision
Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderungskündigung zur Anwendung von tariflichen Vorschriften in der Arbeitnehmerüberlassung
Leitsatz (amtlich)
Beabsichtigt der Arbeitgeber, nachdem er einem Arbeitgeberverband beigetreten ist, die Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis des Leiharbeitnehmers anzuwenden, damit der Arbeitnehmer nicht die im Betrieb des Entleihers für vergleichbare Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts verlangen kann, so kann er dies – gegen den Willen des Arbeitnehmers – nur per Änderungskündigung, die den von der Rechtsprechung aufgestellten Erfordernissen einer Änderungskündigung zur Entgeltsenkung unterliegt. Auch wenn fast alle Arbeitnehmer auf Verlangen des Arbeitgebers die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbart haben, kann sich der Arbeitgeber deshalb auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ebenso wenig berufen wie auf den „Wegfall der Geschäftsgrundlage”.
Normenkette
KSchG § 2; AÜG § 3 Abs. 1 Nr. 3, § 9 Nr. 2, § 10
Verfahrensgang
ArbG Wuppertal (Urteil vom 02.06.2004; Aktenzeichen 3 Ca 355/04) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird dasUrteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom02.06.2004 – 3 Ca 355/04 – abgeändert.
Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung der Beklagten vom 21.01.2004 unwirksam ist.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
Die am 10.05.1957 geborene, geschiedene Klägerin, die zwei erwachsene Kinder hat, war zunächst ab 17.04.2001 bei der H. gGmbH für die Zeit bis zum 31.12.2001 als Dozentin tätig. Für das Arbeitsverhältnis galten laut Arbeitsvertrag vom 12.04.2001 (Bl. 13 f d. A.) die Bestimmungen des Bundesangestelltentarifvertrages in der für die Angestellten im Bereich der evangelischen Kirche im Rheinland jeweils geltenden Fassung (BAT-KF).
Laut Arbeitsvertrag vom 27.08.2002 (Bl. 6 ff d. A.) wurde die Klägerin ab 01.09.2002 bei der Beklagten als Dozentin und Sozialbetreuerin eingestellt, und zwar zunächst befristet bis zum 31.08.2003. Hiernach sollte die Klägerin ein monatliches Bruttoentgelt von 2.660,– EUR erhalten.
Mit Folgevertrag vom 29.07.2003 (Bl. 9 ff d. A.) wurde dieses Arbeitsverhältnis verlängert bis zum 31.08.2004. Das Arbeitsverhältnis sollte nach Ziff. 1 dieses Arbeitsvertrages enden, ohne dass es einer Kündigung bedurfte. Für die Kündigung ansonsten sollten die gesetzlichen Kündigungsfristen gelten. Die Gehaltsvereinbarung blieb mit 2.660,– EUR brutto unverändert.
Die Beklagte betreibt mit der entsprechenden Erlaubnis gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung. Sie hat die Klägerin an ihre ursprüngliche Arbeitgeberin, die H. gGmbH, ausgeliehen, wo die Klägerin dieselbe Tätigkeit wie früher ausübt, jedoch zu einem geringeren Lohn von 2.660,– EUR brutto bei der Beklagten, während sie bei der H. gGmbH 2.861,16 EUR brutto monatlich verdiente.
Aufgrund der zum 01.01.2004 in Kraft getretenen Änderungen des § 9 Ziff. 2 AÜG, wonach ein Tarifvertrag für die Zeit der Überlassung an einen Entleiher schlechtere als die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts vorsehen kann, ist die Beklagte laut Mitgliedsurkunde (Bl. 94 d. A.) Mitglied im Interessenverband deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ e.V.) geworden. Deshalb hat sie der Klägerin wie allen anderen Arbeitnehmern eine Änderungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 01.09.2002 (Bl. 111 f d. A.) vorgeschlagen. Hiernach sollten die verschiedenen Tarifverträge des iGZ e.V. ab 01.01.2004 Anwendung finden. Hiernach hätte sich eine monatliche Vergütung von 2.297,39 EUR brutto für die Klägerin ergeben. Als Besitzstandswahrung sollte ein Ausgleichsbetrag in Höhe der Differenz zu der bisherigen Vergütung bezahlt werden, mit der auch künftige Tariflohnerhöhungen abgegolten sein würden, solange der Tariflohn den außertariflichen Lohn einschließlich der Ausgleichzahlung nicht überschreitet.
Die Unterzeichnung einer solchen Änderungsvereinbarung lehnte die Klägerin mit vier weiteren Mitarbeitern ab.
Daraufhin sprach die Beklagte mit Schreiben vom 21.01.2004 gegenüber der Klägerin eine Änderungskündigung mit demselben Inhalt zum 28.02.2004 aus, die die Klägerin zwar unter Vorbehalt annahm, mit der am 23.01.2004 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage jedoch geltend gemacht hat, sie sei sozialwidrig.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten: Der Wortlaut des Gesetzes bringe gerade nicht zum Ausdruck, dass der Arbeitgeber mit Hilfe einer Änderungskündigung den Arbeitnehmer zu einer Unterwerfung unter einen solchen Tarifvertrag zwingen könne. Nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer könnten hiernach die Inbezugnahme des Tarifvertrages vereinbaren, was eine Einigung voraussetze. Da sich seit der Verlängerung des Arbeitsver...