Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung innerhalb der Wartezeit. Anhörung des Betriebsrates

 

Leitsatz (amtlich)

Bei einer ordentlichen Kündigung in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses genießt zwar ein Arbeitgeber grundsätzlich Kündigungsfreiheit und ist im Prozess nicht – jedenfalls nicht primär – gehalten, seine Kündigung näher zu begründen, hierdurch wird aber eine kollektivrechtliche Pflicht zur Angabe der Kündigungsgründe gegenüber dem Betriebsrat nicht ausgeschlossen (BAG 06.11.2003 – 2 AZR 690/02 – AP TzBfG § 14 Nr. 7).

Die bloße Angabe, dass kein Interesse an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses besteht, genügt nicht den Anforderungen des § 102 BetrVG. Das fehlende Interesse an der Weiterbeschäftigung kann auch verschiedene Ursachen haben. Es kann auf verhaltensbedingten, betriebsbedingten oder personenbedingten Gründen beruhen. Wenn der Betriebsrat in die Lage versetzt werden soll, ohne zusätzliche eigene Nachforschungen die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich über eine Stellungnahme schlüssig zu werden, kann er seine Aufgabe nur wahrnehmen, wenn ihm der Lebenssachverhalt mitgeteilt wird, der der Kündigungsentscheidung zugrunde liegt.

 

Normenkette

KSchG § 1; BetrVG § 102

 

Verfahrensgang

ArbG Wuppertal (Urteil vom 12.05.2011; Aktenzeichen 6 Ca 166/11)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 12.09.2013; Aktenzeichen 6 AZR 121/12)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 12.05.2011 – 6 Ca 166/11 – teilweise abgeändert:

  1. Es wird festgestellt, dass das zwischen der Klägerin und der Berufungsbeklagten bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Berufungsbeklagten vom 28.12.2010 nicht aufgelöst worden ist.
  2. Die Berufungsbeklagte wird verurteilt, die Klägerin über den 15.01.2011 hinaus entsprechend dem Arbeitsvertrag vom 23.06.2010 zu unveränderten Bedingungen als Mitarbeiterin für den Bereich Logistik und Hausservice gegen Zahlung einer Bruttomonatsvergütung von 1.850,00 EUR, bezogen auf eine 40 Stundenwoche bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag zu 1. weiter zu beschäftigen.
  3. Die Kosten der ersten Instanz tragen die Klägerin zu 52 % und die Berufungsbeklagte zu 48 %. Die Kosten der Berufung trägt die Berufungsbeklagte.
  4. Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten noch in der Berufung über die Wirksamkeit einer Kündigung innerhalb der Probezeit und die Weiterbeschäftigung der Klägerin für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses.

Die am 22.11.1969 geborene Klägerin ist seit dem 01.07.2010 aufgrund Arbeitsvertrags vom 23.06.2010 bei der ehemaligen Beklagten zu 3) (im Folgenden: Beklagte) als Mitarbeiterin für den Bereich Logistik und Hausservice zu einer Bruttomonatsvergütung von 1.850,00 EUR beschäftigt.

Zuvor war die Klägerin bei der L. Service GmbH (ehemalige Beklagte zu 2) tätig, mit der sie mit Aufhebungsvertrag vom 25.06.2010 die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2010 vereinbart hatte. Die L. Service GmbH führte Dienstleistungen für die Klinikverbund St. B. und St. K. GmbH (ehemalige Beklagte zu 1) durch.

Mit Schreiben vom 14.12.2010 hörte die Beklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung der Klägerin an.

In dem Anhörungsschreiben heißt es u.a.:

„Anhörung gem. § 102 BetrVG:

Auf das Arbeitsverhältnis findet das Kündigungsschutzgesetz noch keine Anwendung, es wurde zudem eine sechsmonatige Probezeit vereinbart. Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ist nicht in unserem Interesse ….”

Mit Schreiben vom 22.12.2010 widersprach der Betriebsrat der Kündigung mit der Begründung, dass es für ihn nicht nachvollziehbar sei, ob es sich um eine betriebsbedingte, personenbedingte oder verhaltensbedingte Kündigung handelt und ob soziale Aspekte hinreichend berücksichtigt wurden.

Mit Schreiben vom 28.12.2010 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin innerhalb der Probezeit zum 15.01.2011.

Mit der am 18.01.2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage begehrte die Klägerin die Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses mit dem Klinikverbund St. B. und St. K. GmbH (ehemalige Beklagte zu 1), hilfsweise die Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses mit der ehemaligen Beklagten zu 2) und machte die Feststelllung der Unwirksamkeit der Kündigung vom 28.12.2010, die Weiterbeschäftigung und Restzahlungsansprüche in Höhe von 494,71 EUR gegenüber der Beklagten geltend.

Die Klägerin hat, soweit in der Berufung von Bedeutung, beantragt,

  1. Es wird festgestellt, dass das zwischen der Klägerin und der Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 28.12.2010 nicht aufgelöst wird.
  2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin über den 15.01.2011 hinaus entsprechend dem Arbeitsvertrag vom 23.06.2010 zu unveränderten Bedingungen als Mitarbeiterin für den Bereich Logistik und Hausservice gegen Zahlung einer Bruttomonatsvergütung von 1.850,00 EUR, bezogen auf eine 40 Stundenwoche bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag zu 1. weiter zu beschäftige...

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