Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesamtzusage als arbeitsrechtliche Anspruchsgrundlage. Betriebliche Übung als arbeitsrechtliche Anspruchsgrundlage. Betriebsvereinbarungsoffenheit kollektiver Zusagen. Auslegung von Betriebsvereinbarungen. Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz als Anspruchsgrundlage
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Gesamtzusage ist die an alle Arbeitnehmer des Betriebs oder einen nach abstrakten Merkmalen bestimmten Teils von ihnen in allgemeiner Form gerichtete ausdrückliche Erklärung des Arbeitgebers, bestimmte Leistungen erbringen zu wollen. Eine ausdrückliche Annahme des in der Erklärung enthaltenen Antrags i.S.v. § 145 BGB wird dabei nicht erwartet. Ihrer bedarf es nicht. Das in der Zusage liegende Angebot wird gemäß § 151 BGB angenommen und ergänzender Inhalt des Arbeitsvertrags.
2. Nach ständiger Rechtsprechung entsteht eine betriebliche Übung durch ein gleichförmiges und wiederholtes Verhalten des Arbeitgebers, das den Inhalt der Arbeitsverhältnisse gestaltet und geeignet ist, vertragliche Ansprüche auf eine Leistung zu begründen, wenn und soweit der Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers schließen durfte, ihm werde eine entsprechende Leistung auch zukünftig gewährt. Dieses Verhalten ist als Vertragsangebot zu werten, das von den Arbeitnehmern stillschweigend angenommen werden kann, wobei der Zugang der Annahmeerklärung nach § 151 BGB entbehrlich ist.
3. Betriebsvereinbarungsoffenheit in kollektiven Zusagen ermöglicht den Betriebsparteien zwar den Eingriff in begründete Besitzstände, dies aber nicht schrankenlos, da bei einer Ablösung die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit gelten. Diese erfordern ein dreistufiges Prüfungsschema je nach dem Maß der erdienten Anwartschaft auf die zugesagte Leistung.
4. Betriebsvereinbarungen sind nach den für Gesetze und Tarifverträge geltenden Grundsätzen auszulegen. Dabei ist vom Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn auszugehen. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang der Regelungen, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Betriebsparteien geben kann. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt.
5. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage ebenso wie eine sachfremde Bildung von Arbeitnehmergruppen. Der Arbeitgeber ist hiernach an ein Verhalten gebunden, wenn er Vorteile gewährt, mit denen er die betriebliche Ordnung gestaltet, soweit er dabei erkennbar selbst gesetzten abstrakten Regeln und generalisierenden Prinzipien folgt.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; BGB §§ 145, 151, 611
Verfahrensgang
ArbG Essen (Entscheidung vom 22.12.2016; Aktenzeichen 5 Ca 2137/16) |
Nachgehend
Tenor
I.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 22.12.2016 - AZ: 5 Ca 2137/16 - abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Berufung des Klägers gegen das vorgenannte Urteil wird zurückgewiesen.
III.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
IV.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Wesentlichen über einen Anspruch des Klägers auf Überlassung eines kostenlosen Tickets zur Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs für seine Ehefrau.
Die Beklagte ist ein Unternehmen, welches für die Stadt F. den öffentlichen Nahverkehr betreibt. Der am 14.12.1961 geborene Kläger wurde von der Beklagten zum 01.11.1996 zum Zwecke der Ausbildung zum Omnibusfahrer eingestellt und ist seit dem 23.01.1997 als Omnibusfahrer tätig. Der Arbeitsvertrag vom 23.01.1997 enthielt u.a. folgende Regelung:
"§ 2
Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach den Bestimmungen des Bundesmantelvertrages für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-GII) und der zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträge - insbesondere des Bezirkszusatztarifvertrages (BZT-G/NRW) - in ihrer jeweils geltenden Fassung. Das gleiche gilt für die an deren Stelle tretenden Tarifverträge. Daneben finden die für den Bereich des Arbeitgebers jeweils in Kraft befindlichen sonstigen Tarifverträge, betrieblichen Vereinbarungen und die Dienst- bzw. Arbeitsordnung Anwendung."
Die Beklagte stellte in der Vergangenheit ihren Beschäftigten und deren Ehepartnern auf Antrag ein unentgeltliches Ticket zur Nutzung der Verkehrsmittel im öffentlichen Nahverkehr zur Verfügung. Zeitweise warb sie auf Fahrzeugen für Mitarbeiter mit einer Aufschrift, die sinngemäß lautete: "Als Mitarbeiter der F. haben Sie und Ihre Frauen immer freie Fahrt."
Grundlage der Gewährung in der Vergangenheit waren zunächst "Bestimmungen über die Gewährung von Dienstausweisen, Frei-Fahrkarten, Familien-Fahrkarten, Lehrlings- und Schülerkarten" vom 25.10.1958, die u.a. folgendes beinhalteten:
"/. Dienstausweise
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b) Die Ve...