Entscheidungsstichwort (Thema)

Befristung aus haushaltsrechtlichen Gründen

 

Leitsatz (amtlich)

1) In einem Haushaltsplan einer unterstaatlichen Körperschaft des öffentlichen Rechts enthaltene datierte, auf einzelne Vergütungsgruppen bezogene kw-Vermerke vermögen die Befristung eines Arbeitsverhältnisses aus Haushaltsgründen jedenfalls dann nicht gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG zu rechtfertigen, wenn dem Haushaltsplan selbst keine nähere Widmung der Haushaltsmittel für bestimmte Aufgaben von nur vorübergehender Dauer (tätigkeitsbezogene Zwecksetzung) zu entnehmen ist.

2) Haushaltsrechtliche Vorgaben vermögen grundsätzlich die im Rahmen des Abschlusses eines sachgrundbefristeten Arbeitsvertrages anzustellende Prognose des öffentlichen Arbeitgebers zu stützen, wenn die Vergütung des befristet eingestellten Arbeitnehmers aus einer konkreten Haushaltsstelle erfolgt, die von vorne herein nur für eine bestimmte Zeitdauer bewilligt worden ist und anschließend fortfallen soll. In diesen Fällen ist regelmäßig davon auszugehen, dass sich der Haushaltsgesetzgeber mit den Verhältnissen gerade dieser Stelle befasst und festgestellt hat, dass für die Beschäftigung eines Arbeitnehmers auf dieser Stelle nur ein vorübergehender Bedarf besteht. Steht nach dem im Einzelfall entscheidungserheblichen Sachverhalt zur Überzeugung des Gerichts fest, dass eine solche Befassung tatsächlich nicht erfolgt ist, kann sich der öffentliche Arbeitgeber zur Rechtfertigung der Befristung nicht auf haushaltsrechtliche Vorgaben berufen.

(zu 1. und 2. jweils im Anschluss an LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 04.12.2007 – 3 Sa 1406/07, juris)

 

Normenkette

TzBfG § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 7

 

Verfahrensgang

ArbG Essen (Urteil vom 03.04.2008; Aktenzeichen 8 Ca 4051/07)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 03.04.2008 – 8 Ca 4051/07 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses.

Die Beklagte ist Rechtsnachfolgerin der Bundesknappschaft. Dieser wurden ab dem 01.04.2003 aufgrund von § 28i Satz 5 SGB IV die Aufgaben einer Einzugsstelle für die sozialversicherungsrechtlichen Pauschalabgaben aus sämtlichen geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen gesetzlich überantwortet. Zur Erledigung dieser Aufgaben richtete die Knappschaft Minijobzentralen an den Standorten Essen, Gelsenkirchen und Cottbus ein. Organisatorisch sind die Minijobzentralen der Abteilung VII – Zentrale Stelle für Melde- und Beitragswesen – zugeordnet. Die entstehenden Verwaltungskosten werden durch Einnahmen aus der Bundeseinzugsstellenvergütung, Erstattungen des Bundeszentralamts für Steuern sowie sonstige Verwaltungseinnahmen gedeckt. Wegen der Mittelverwendung stellt die Knappschaft bzw. die Beklagte einen jährlichen Haushaltsplan auf, der satzungsgemäß von der Vertreterversammlung beschlossen wird und der Genehmigung des zuständigen Bundesministeriums bedarf.

Die 38 Jahre alte Klägerin schloss mit der Bundesknappschaft einen (undatierten) befristeten Arbeitsvertrag, aufgrund dessen die Klägerin vom 01.04.2003 bis zum 31.12.2006 als Verwaltungsangestellte gegen Zahlung einer Vergütung nach Vergütungsgruppe VII KnAT (Knappschafts-Angestelltentarifvertrag) beschäftigt wurde. Als Grund für die Befristung wurden im Arbeitsvertrag (Bl. 6 d.A.) „vorübergehend zur Verfügung stehende Haushaltsmittel” angeführt. Die Klägerin arbeitete am Standort Essen in der Abteilung VII.3, dem „Back-Office”.

Am 28.10.2005 erstattete die Firma C. Point GmbH, I. im Auftrag der Bundesknappschaft nach umfangreicher Datenerhebung (u.a. Ermittlung von Zeitwerten für ca. 420 Einzeltätigkeiten) und in Zusammenarbeit mit dem Bundesverwaltungsamt einen Abschlussbericht zur Frage der künftigen Personalbemessung in der Minijobzentrale, wegen dessen Einzelheiten auf Blatt 100 ff. d.A. verwiesen wird. Danach sollte sich die Zahl der „Planstellen im operativen Bereich” der Minijobzentrale (ohne weitere 112 Planstellen aus den Bereichen Grundsatz, Leitung, ADV) von 1.720 im Jahre 2006 in 2007 auf 1.704,85 und im Jahre 2008 auf 1.519,85 Stellen verringern. In dem sich anschließenden Ressortgespräch am 11.11.2005 zum Haushalt 2006 unter Beteiligung von Vertretern der Bundesministerien für Gesundheit und Soziales sowie Finanzen gelang es der Geschäftsführung der Beklagten, im „Verhandlungswege” die Zahl der abzubauenden Stellen im Bereich der Minijobzentrale auf 40 zum 31.12.2006 und weitere 100 zum 31.12.2007 zu drücken. Im Haushaltsplan der Beklagten für das Jahr 2006 wurden im Einzelplan 5 insgesamt 45 Stellen der Vergütungsgruppe Vc KnAT und 67 Stellen der Vergütungsgruppe VII KnAT als „kw 31.12.2007” ausgewiesen; eine Unterscheidung zwischen den Angestellten der Minijobzentrale und den sonstigen Angestellten der Beklagten im Verwaltungsbereich fehlt. Der auf Basis dieses Haushaltsplans von der Organisationseinheit der Beklagten gefertigte Stellenplan 2006 für die Minijobz...

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