Entscheidungsstichwort (Thema)
Verbandsklage. Auslegung von Tarifverträgen. Durchführungspflicht
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Frage, ob der BAT bzw. der BMT-G II oder der TVöD in Betrieben der Abwasserwirtschaft in NRW gelten.
2. Die Tarifvertragsparteien sind verpflichtet, auf ihre Mitglieder einzuwirken, tarifwidrige Maßnahmen zu unterlassen. Der Einwirkungsanspruch einer Tarifvertragspartei gegen die andere setzt nicht voraus, dass sich eindeutig ergibt, dass eine bestimmte Regelung dem Tarifvertrag nicht entspricht oder ein entsprechendes rechtskräftiges gerichtliches Urteil oder eine verbindliche Entscheidung einer tariflichen Schiedsstelle vorliegt oder die Tarifvertragspartei selbst von der Tarifwidrigkeit der Regelung ausgeht (entgegen BAG vom 29.04.1992, AP Nr. 3 zu § 1 TVG Durchführungspflicht).
Normenkette
TVöD § 1; TVÜ-VKA §§ 1-2; TV-WW/NW § 1; Überleitungstarifvertrag-WW/NW § 1
Verfahrensgang
ArbG Wuppertal (Urteil vom 21.05.2007; Aktenzeichen 2 Ca 4108/06) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 21.05.2007 – 2 Ca 4108/06 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Auslegung von Tarifverträgen und einen Einwirkungsanspruch.
Die Klägerin schließt u. a. Tarifverträge für den öffentlichen Dienst ab. Der Beklagte ist der für den kommunalen öffentlichen Dienst zuständige Arbeitgeberverband in Nordrhein-Westfalen. Teilweise schließt er mit der Klägerin selbstständig Tarifverträge ab, teilweise nimmt diese Aufgabe die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) wahr, der der Beklagte als Mitglied angehört.
Die Klägerin hat mit der VKA den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) vom 13.09.2005 und den Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-VKA) vom 13.09.2005 abgeschlossen. Mit dem Beklagten hat sie den Tarifvertrag für die Arbeitnehmer/innen der Wasserwirtschaft in Nordrhein-Westfalen (TV-WW/NW) vom 01.07.2001 abgeschlossen.
Die Herforder Abwasser GmbH und die Stadtentwässerungsbetriebe Köln AöR sind Mitglieder des Beklagten, die seit dem 01.10.2005 den TVöD anwenden. Nach Auffassung der Klägerin gelten für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in den Betrieben dieser Unternehmen jedoch weiterhin der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23.02.1961 und der Bundes-Manteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) vom 31.01.1962 sowie die diese Tarifverträge ergänzenden Tarifverträge.
Der TVöD bestimmt u. a. Folgendes:
„§ 1 Geltungsbereich
(1) Dieser Tarifvertrag gilt für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – nachfolgend Beschäftigte genannt –, die in einem Arbeitsverhältnis zum Bund oder zu einem Arbeitgeber stehen, der Mitglied eines Mitgliedverbandes der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) ist.
(2) Dieser Tarifvertrag gilt nicht für
…
d) Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer, für die der TV-V oder der TV-WW/NW gilt, sowie für Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer, die in rechtlich selbstständigen, dem Betriebsverfassungsgesetz unterliegenden und dem fachlichen Geltungsbereich des TV-V oder des TV-WW/NW zuzuordnenden Betrieben mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmern beschäftigt sind und Tätigkeiten auszuüben haben, welche dem fachlichen Geltungsbereich des TV-V oder des TV-WW/NW zuzuordnen sind, Protokollerklärung zu Abs. 2 Buchst. d: Im Bereich des kommunalen Arbeitgeberverbandes Nordrhein-Westfalen (KAVNW) sind auch die rechtlich selbstständigen Betriebe oder sondergesetzlichen Verbände, die kraft Gesetzes dem Landespersonalvertretungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen unterliegen, von der Geltung des TVöD ausgenommen, wenn die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Buchst. d im Übrigen gegeben sind. § 1 Abs. 3 bleibt unberührt.
…
(3) Durch landesbezirklichen Tarifvertrag ist es in begründeten Einzelfällen möglich, Betriebe, die dem fachlichen Geltungsbereich des TV-V oder des TV-WW/NW entsprechen, teilweise oder ganz in den Geltungsbereich des TVöD einzubeziehen. …”
Der TVÜ-VKA bestimmt u. a. Folgendes:
„§ 1 Geltungsbereich
(1) Dieser Tarifvertrag gilt für Angestellte, Arbeiterinnen und Arbeiter, deren Arbeitsverhältnis zu einem tarifgebundenen Arbeitgeber, der Mitglied eines Mitgliedverbandes der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) ist, über den 30. September 2005 hinaus fortbesteht, und die am 1. Oktober 2005 unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) fallen, für die Dauer des ununterbrochen fortbestehenden Arbeitsverhältnisses.
…
(4) Die Bestimmungen des TVöD gelten, soweit dieser Tarifvertrag keine abweichenden Regelungen trifft.
§ 2 Ablösung bisheriger Tarifverträge durch den TVöD
(1) Der TVöD ersetzt in Verbindung mit diesem Tarifvertrag bei tarifgebundenen Arbeitgebern, die Mitglied eines Mitgliedverbandes der VKA sind, den