Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Sozialplanabfindung bei "vorzeitiger" Eigenkündigung. Abfindungsausschluss bei vorzeitiger Eigenkündigung. Gleichbehandlung im Sozialplan
Leitsatz (amtlich)
Hat der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer mitgeteilt, für ihn bestehe aufgrund der Betriebsänderung keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr, und muss danach der Arbeitnehmer damit rechnen, dass ihm früher oder später betriebsbedingt gekündigt wird, führt die vom Arbeitnehmer erklärte „vorzeitige” Eigenkündigung jedenfalls dann nicht zum Ausschluss von Sozialplanleistungen, wenn das vorzeitige Ausscheiden keine signifikante Beeinträchtigung des Arbeitsablaufs oder wirtschaftliche Belastung auslöst.
Leitsatz (redaktionell)
Abfindungszahlungen im Sozialplan dürfen nicht auf Arbeitnehmer beschränkt werden, die durch Arbeitgeberkündigung ausscheiden. Kündigt ein Arbeitnehmer selbst vorzeitig wegen des Wegfalls seines Arbeitsplatzes aufgrund Betriebsänderung, besteht ebenfalls ein Abfindungsanspruch.
Normenkette
BetrVG § 112 Abs. 1, § 75 Abs. 1, §§ 75, 112
Verfahrensgang
ArbG Essen (Urteil vom 31.08.2006; Aktenzeichen 8 Ca 2722/06) |
Nachgehend
Tenor
Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Essen vom31.08.2006 wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger EUR 27.032,52 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2006 zu zahlen.
Die Kosten trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten nach einer Eigenkündigung des Klägers um dessen Anspruch auf Sozialplanabfindung.
Der am 15.09.1959 geborene, mit seiner Familie in P. wohnhafte Kläger trat zum 01.02.2003 in die Dienste der beklagten Immobilienbank. Er war in deren Zweigstelle F. zuletzt als Abteilungsleiter Special Clients auf der Führungsebene 3 im Geschäftsbereich Workout/Special Clients (Grau- und Schwarzgeschäft) tätig und bezog ein Monatsgehalt in Höhe von Euro 6.316,00. Die Ehefrau des Klägers geht einer eigenen ortsgebundenen Teilzeittätigkeit nach. Seine beiden Kinder befinden sich in der schulischen Ausbildung.
Im Jahre 2005 beschloss die Beklagte, das Grau- und Schwarzgeschäft im Geschäftsbereich Workout/Special Clients (WO/SC) neu zu organisieren, auf die Standorte Mainz-Kastel/X. und Berlin zu konzentrieren und die WO/ SCEinheiten an den Standorten Frankfurt, Hamburg, München und Stuttgart bis zum 31.12.2005 sowie die Zweigstelle F. bis zum 31.12.2006 aufzulösen. Am 19.08.2005 kamen zwischen der Beklagten und dem Gesamtbetriebsrat ein Interessenausgleich, in dessen Anlage 1 der Kläger namentlich aufgeführt ist, und ein Sozialplan zustande. Mit Rundschreiben vom 22.08.2005 informierte die Beklagte die betroffenen Mitarbeiter, darunter den Kläger, von der bevorstehenden Umstrukturierung. Mit Schreiben vom 12.10.2005 bot die Beklagte den Mitarbeitern des Standortes F. eine Weiterbeschäftigung wahlweise in Berlin oder Mainz-Kastel/X. an. Bereits zuvor hatte der Kläger sich um eine anderweitige, wohnortnahe Anstellung bemüht, weil er aus familiären Gründen nicht zu einem der neuen Standorte wechseln wollte. Ende September 2005 ergab sich für ihn die Möglichkeit, zum 01.01.2006 bei einer in E. vertretenen Immobilienbank eine – wenn auch hierarchisch und vergütungsmäßig nicht gleichwertige – Anstellung zu erhalten. Der Kläger, der sich kurzfristig entscheiden musste, nahm das Angebot an und erklärte mit Schreiben vom 28.09.2005 (Bl. 32) gegenüber der Beklagten die fristgerechte Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2005. Anlässlich seines Ausscheidens ließ die Beklagte ihm eine Abfindung in Höhe von Euro 4.000,00 zukommen. Die nach dem Sozialplan berechnete Abfindung hätte Euro 31.032,52 betragen.
Die Beklagte hatte die Schließung der Zweigstelle F. zunächst für den 31.05.2006 vorgesehen. Tatsächlich erfolgte die Schließung zum 30.09.2006. Zuvor waren von den ursprünglich 25 Mitarbeitern ca. 5 durch Eigenkündigungen, 6 oder 7 durch Aufhebungsverträge teilweise schon Ende 2005 ausgeschieden, und weiteren Mitarbeitern betriebsbedingt gekündigt worden. Ca. 6 oder 7 Mitarbeiter wechselten an den Standort Mainz-Kastel/X.. 2 Mitarbeitern (Betriebsratsmitglieder) ist bisher nicht gekündigt worden. Für den zum 31.12.2005 ausgeschiedenen Kläger nahm die Beklagte weder in F. noch an anderen Standorten eine Ersatzeinstellung vor. Die anfallende Arbeit wurde von den im Unternehmen verbliebenen Mitarbeitern mit erledigt. Nachdem die Beklagte Mitte 2006 das Portfolio von leistungsgestörten Krediten (Schwarzgeschäft) an einen ausländischen Investor abgeben konnte, ist bei ihr aus dem WO/SC-Bereich mittlerweile nur noch das Portfolio von sanierungsfähigen Krediten (Graugeschäft) verblieben.
Mit der vor dem Arbeitsgericht Essen erhobenen Klage nimmt der Kläger die Beklagte auf Zahlung der Sozialplanabfindung in Höhe von Euro 31.032,52 brutto abzüglich der erhaltenen Abfindung von Euro 4.000,00 in Anspruch. Er macht geltend, dass nach den Grundsätzen ...