Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit der Befristung einer Auslandsentsendung (hier: Tätigkeit für die ausländische Muttergesellschaft des Arbeitgebers)
Leitsatz (amtlich)
1. Die Tätigkeit für die ausländische Muttergesellschaft der Arbeitgeberin war vertraglich so ausgestaltet, dass das Arbeitsverhältnis zur deutschen Gesellschaft fortbesteht. Die Tätigkeit für die ausländische Muttergesellschaft, die im Übrigen im Wesentlichen vom Home-Office aus in Deutschland erbracht wurde, erfolgte letztlich als konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung.
2. Ist in einer solchen Situation bereits zu Beginn der Tätigkeit für die ausländische Muttergesellschaft eine höhere Position vereinbart und erfolgt weiter ein beruflicher Aufstieg in Gehalt und Position über einen langfristigen Zeitraum (insgesamt elfeinhalb Jahre), ist eine Befristung der Tätigkeit gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
3. Die Ungewissheit der Einsatzmöglichkeit für die ausländische Muttergesellschaft gehört zum unternehmerischen Risiko der deutschen Arbeitgeberin. Der Aspekt der gesicherten Rückkehrmöglichkeit spielte hier bei der Abwägung im Rahmen von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB keine Rolle, weil das Arbeitsverhältnis mit der bisherigen Arbeitgeberin mit den geänderten Einsatzbedingungen in Bezug auf die Tätigkeit für die ausländische Muttergesellschaft, Gehalt und Position fortbestand.
Normenkette
Brüssel Ia-VO Art. 21 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1-2, Art. 63 Abs. 1; Rom-I VO Art. 3 Abs. 1, Art. 8, 28; EGBGB a.F. Art. 27 Abs. 1; EGBGB Art. 30 Abs. 1; EGBGB a.F. Art. 30 Abs. 2; BGB § 307 Abs. 1, § 310 Abs. 3, § 626; KSchG §§ 2, 4; SGB IV § 4; KSchG § 1; TzBfG § 17; ZPO § 256 Abs. 1; BGB § 307 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Krefeld (Entscheidung vom 07.09.2023; Aktenzeichen 4 Ca 1276/20) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 07.09.2023 - 4 Ca 1276/20 - abgeändert und festgestellt, dass die aufgrund Secondment vereinbarte Entsendung nicht mit der letzten Befristung mit Ablauf des 31.12.2020 endete.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung einer Auslandsentsendung.
Der am 12.06.1969 geborene Kläger, der getrennt lebt, zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet ist und deutscher Staatsangehöriger ist, war seit dem 01.01.2008 für die Beklagte mit Sitz in Deutschland tätig. Grundlage war der Anstellungsvertrag vom 24.10.2007. Danach wurde der Kläger Key Account Manager für den Bereich C & I (Corporate & International) Channel für die Region Frankfurt eingestellt. Zur Vergütung hieß es in dem Anstellungsvertrag zu V. u.a. wie folgt:
"Der Mitarbeiter erhält für seine vertragliche Tätigkeit ein monatliches Bruttogehalt von:
Euro 3.200,-
Das Bruttogehalt setzt sich zusammen aus einem Tarifgehalt (Tarifgruppe V, im 1. Jahr der Tätigkeit) i.H.v. 2.370,50 Euro und einer übertariflichen Zulage i.H.v. 829,50 Euro.
Darüber hinaus erhält der Mitarbeiter Provision gemäß der jeweils gültigen Verkaufsprovisionsvereinbarung. Der Mitarbeiter erhält in den ersten 6 Monaten Euro 1.800,- brutto verrechenbare Garantieprovision. Anschließend entfällt diese Garantieprovision.
Die Garantieprovision wird monatlich ausgezahlt und mit der tatsächlich erwirtschafteten Provision monatlich verrechnet, wobei die Verrechnung rückwirkend auf die Vormonate erfolgt.
Erwirtschaftet der Arbeitnehmer in einem Monat einen die Garantieprovision übersteigenden Provisionsanspruch, wird dieser im Folgemonat unter Verrechnung der Garantieprovision ausgezahlt
Für die Eingruppierung werden der Gehaltstarifvertrag und das Gehaltsrahmenabkommen für Angestellte im Groß- und Außenhandel NRW zugrundegelegt.
...
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den zur Akte gereichten Anstellungsvertrag vom 24.10.2007 Bezug genommen.
Unter dem 11.05.2009/28.05.2009 vereinbarten der Kläger und die Beklagte unter Beteiligung der Q. (im Folgenden CEL) die Entsendung des Klägers an die CEL. Die Beklagte und die CEL waren Konzerngesellschaften im Sinne des deutschen Aktienrechts, wobei die englische Gesellschaft die Muttergesellschaft der Beklagten war. Grundlage der Entsendung bzw. des Secondmets war zunächst ein Schreiben vom 11.05.2009 an den Kläger, das u.a. folgenden Inhalt hatte:
...
Mit diesem Schreiben wird unser Einvernehmen bezüglich der Bedingungen, die auf Ihre internationale Entsendung [assignment] an die Q.. (nachfolgend CEL genannt) mit Sitz in Z., E., mit Wirkung ab 15. Mai 2009 bis zum 15. November 2009 Anwendung finden, bestätigt.
...
In diesem Schreiben werden die Bedingungen des Arbeitsvertrages zwischen Ihnen und der O. GmbH (nachfolgend als "Ihr Heimatland" bezeichnet) abgeändert.
Position
Während Ihrer Entsendung übernehmen Sie eine neue Position als "Global Account Manager" und sind X., International Accounts Director, oder seinem Nachfolger unterstellt.
Sie werden bei CEL von X. beurteilt, der während Ihrer Entsendung bei CEL Ihr Ansprechpartner bleibt. ...