Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung im Geltungsbereich des MTV Banken
Leitsatz (redaktionell)
1. Im Geltungsbereich des MTV Banken gilt gem. § 17 Abs. 3 eine abschließende Regelung in Bezug auf einen Sonderkündigungsschutz. Dieser kann gem. § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG nicht abbedungen werden.
2. Eine unwirksame Regelung über einen Sonderkündigungsschutz in einer Betriebsvereinbarung kann nicht in eine Gesamtzusage umgedeutet werden, wenn kein Ausnahmefall vorliegt, in dem sich der Arbeitgeber unabhängig von der Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung auf Dauer einzelvertraglich binden wollte (hier: verneint).
3. Die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG kann nicht durch einen Vertrauensschutz "unterlaufen" werden.
4. Eine auf die Fremdvergabe der betreffenden Tätigkeit gestützte betriebsbedingte Kündigung ist daher wirksam, soweit eine anderweitige Weiterbeschäftigungsmöglichkeit i.S. von § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG nicht besteht.
Normenkette
MTV § 17 Nr. 3
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 15.06.2015; Aktenzeichen 12 Ca 4043/14) |
Nachgehend
Tenor
- Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 15.06.2015 - 12 Ca 4043/14 - wird zurückgewiesen.
- Die Kosten der Berufung hat die Klägerin zu tragen.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung und die Weiterbeschäftigung der Klägerin.
Die am 17.06.1962 geborene, verheiratete Klägerin hat eine 19jährige Tochter. Sie ist gelernte Bürogehilfin und wurde gemäß Bestätigungsschreiben vom 10.06.1981 am 01.07.1981 bei der T. D. Bank als Schreibkraft eingestellt. Zum 01.04.1991 wurde das Arbeitsverhältnis von der Rechtvorgängerin der Beklagten übernommen. Schriftlich teilte diese den Mitarbeitern in diesem Zusammenhang u.a. Folgendes mit:
"...Im Hinblick auf Ihren erreichten Besitzstand möchten wir ausdrücklich bestätigen, daß die WestLB die bestehenden Anstellungsverhältnisse unter Berücksichtigung Ihres bisher bei T. D. und der WestLB (Europa) AG erreichten arbeitsrechtlichen Besitzstand übernimmt. Im Hinblick auf die zusätzlich geltenden Regelungen des Manteltarifvertrages für das private und öffentliche Bankgewerbe und die Betriebsvereinbarung der WestLB gilt mit Wirkung vom 01.04.1991 an eine 39-Stunden-Woche.
Nach Abschluss der mit dem Betriebsrat geführten Verhandlungen freuen wir uns, Ihnen ferner mitteilen zu können, daß die WestLB bereit ist, bei den Vergünstigungen der Paragraphen 2, 5, und 12 der Betriebsvereinbarung Ihre Betriebszugehörigkeit anzurechnen und auf die festgelegten Wartezeiten zu verzichten....."
Die Parteien vereinbarten ab dem 01.01.2004 eine Beschäftigung als Telefonistin und Versetzung innerhalb des Unternehmensbereichs Konzerndienste, Geschäftsbereich Interner Service zu den Betriebsdiensten, Empfang, Telefonzentrale, Fahrdienst - Telefondienste - mit einer 30-Stunden-Woche. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 01.10.2003/28.10.2003 (Bl. 116/117 d. A.) Bezug genommen. Zuletzt war die Klägerin bei der Beklagten in der Telefonzentrale in einer 30-Stunden-Woche zu einer durchschnittlichen Monatsvergütung von 3.505,00 € brutto, eingruppiert in die Tarifgruppe 4 (im Folgenden: TG), beschäftigt.
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Landesbank des Landes Nordrhein-Westfalen, war aufgrund eines Beschlusses der Europäischen Kommission vom 20.12.2011 abzuwickeln.
Die Beklagte selbst beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer, darunter auch Mitarbeiter mit vertraglichem Rückkehrrecht zur landeseigenen Bank (sogenannte Doppelverträgler). Sie unterliegt dem Geltungsbereich des Manteltarifvertrages für das Bankgewerbe (im Folgenden: MTV).
Bei der Beklagten bzw. ihren Rechtsvorgängerinnen existiert seit dem Jahr 1969 eine Betriebsvereinbarung (im Folgenden: BV), die mehrfach - zuletzt am 18.12.2009 - abgeschlossen wurde und die unter § 4 (Kündbarkeit nur aus wichtigem Grund) folgende Regelung enthält:
"Mitarbeiter/-innen, die mehr als zwanzig Jahre ununterbrochen in der Bank tätig gewesen sind, können nur aus einem in ihrer Person liegenden wichtigen Grund gekündigt werden."
§ 17 Ziffer 3 MTV enthält seit dem 12.11.1975 folgende Regelung:
"Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und dem Betrieb mindestens zehn Jahre ununterbrochen angehören, sind nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes und bei Betriebsänderungen im Sinne des § 111 BetrVG kündbar.
Das gilt nicht, wenn ein Anspruch auf Altersruhegeld bzw. vorgezogenes Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder Rente wegen Erwerbsminderung geltend gemacht werden kann. Im Fall des Eintretens der teilweisen Erwerbsminderung und der teilweisen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit entfällt der Kündigungsschutz nur unter der weiteren Voraussetzung, dass für den Arbeitnehmer kein seinem Leistungsvermögen angemessener Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt worden ist ...