Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der des Ausschlusses einer betriebsbedingten Kündigung durch Betriebsvereinbarung im Geltungsbereich eines Tarifvertrages
Leitsatz (amtlich)
1. Die Regelung des § 17 Nr. 3 MTV für das Bankgewerbe (MTV), die vorsieht, dass Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und dem Betrieb mindestens zehn Jahre ununterbrochen angehören, nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes und bei Betriebsänderungen im Sinne des § 111 BetrVG kündbar sind, ist abschließend im Sinne des § 77 Abs. 3 BetrVG. Abschließender Regelungsgegenstand ist der Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts für langjährig beschäftigte Mitarbeiter gegen verhaltens-, personen- und betriebsbedingte Kündigungen, wobei der Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen im Fall von Betriebsänderungen eingeschränkt wird. Sieht eine Betriebsvereinbarung vor, dass Mitarbeitern, die mehr als zwanzig Jahre ununterbrochen in der Bank tätig gewesen sind, nur aus einem in ihrer Person liegenden wichtigen Grund gekündigt werden kann, will diese Betriebsvereinbarung die tarifvertraglich vorgegebene Einschränkung des Sonderkündigungsschutzes vor betriebsbedingten Kündigungen ändern. Gerade dieser Umstand wird von der Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 BetrVG erfasst. § 19 Nr. 3 MTV stellt bezogen auf § 17 Nr. 3 MTV keine Öffnungsklausel dar.
2. Die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG wirkt auch dann, wenn entsprechende Tarifbestimmungen erst später in Kraft treten. In diesem Fall verliert eine bestehende vortarifliche Bestimmung mit Inkrafttreten des Tarifvertrages ihre Wirksamkeit.
Normenkette
BetrVG § 77 Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 24.11.2014; Aktenzeichen 12 Ca 4042/14) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 24.11.2014, Az. 12 Ca 402/14 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung und die Weiterbeschäftigung des Klägers.
Der am 12.04.1966 geborene, ledige Kläger wurde 16.09.1991 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten als Mitarbeiter eingestellt. Er hatte nach seinem Abitur zunächst eine Ausbildung zum Bürokaufmann absolviert. Er wurde im Botendienst eingesetzt und erhielt zuletzt ein durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt von 3.524,25 €. Der Kläger ist Gewerkschaftsmitglied. Gemäß § 4 des Anstellungsvertrages vom 16.08.1991/28.08.1991 gelten für das Arbeitsverhältnis der Tarifvertrag für das private Bankgewerbe und die öffentlichen Banken, die Betriebsvereinbarung und die Betriebsordnung der Bank in den jeweils gültigen Fassungen.
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten war Landesbank des Landes Nordrhein-Westfalen und international tätige Geschäftsbank. Sie ist aufgrund eines Beschlusses der Europäischen Kommission vom 20.12.2011 abzuwickeln. Die Beklagte selbst beschäftigt regelmäßig weit mehr als 10 Arbeitnehmer, darunter auch Mitarbeiter mit vertraglichem Rückkehrrecht zur landeseigenen Bank (sogenannte Doppelverträgler). Sie unterliegt dem Geltungsbereich des Manteltarifvertrages für das Bankgewerbe (im Folgenden: MTV). Bei ihr ist ein Betriebsrat gebildet. Eine Rechtsvorgängerin der Beklagten ist aus der rheinischen Girozentrale und Provinzialbank hervorgegangen, in deren Betriebsordnung vom 28.11.1938 es die Regelung gegeben hatte, dass "Gefolgschaftsmitglieder, die mehr als 25 Jahre ununterbrochen tätig gewesen seien, nur aus einem in ihrer Person liegenden Grund kündbar seien".
Bei der Beklagten bzw. ihren Rechtsvorgängerinnen gibt es seit dem Jahr 1969 eine Betriebsvereinbarung (im Folgenden: BV), die mehrfach - zuletzt am 18.12.2009 - erneut abgeschlossen wurde, und unter § 4 (Kündbarkeit nur aus wichtigem Grund) aber im Wortlaut unverändert folgende Regelung enthält:
"Mitarbeiter/-innen, die mehr als zwanzig Jahre ununterbrochen in der Bank tätig gewesen sind, können nur aus einem in ihrer Person liegenden wichtigen Grund gekündigt werden."
§ 17 Ziffer 3 MTV enthält seit dem 12.11.1975 Folgendes:
"Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und dem Betrieb mindestens zehn Jahre ununterbrochen angehören, sind nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes und bei Betriebsänderungen im Sinne des § 111 BetrVG kündbar.
Das gilt nicht, wenn ein Anspruch auf Altersruhegeld bzw. vorgezogenes Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder Rente wegen Erwerbsminderung geltend gemacht werden kann. Im Fall des Eintretens der teilweisen Erwerbsminderung und der teilweisen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit entfällt der Kündigungsschutz nur unter der weiteren Voraussetzung, dass für den Arbeitnehmer kein seinem Leistungsvermögen angemessener Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt worden ist oder werden kann.
Die Möglichkeit der Änderungskündigung bleibt unberührt. Für die Verdienstsicherung gilt § 7 Ziffer 5 MTV."
In des Schlussbestimmungen des MTV - unverändert seit ...