Entscheidungsstichwort (Thema)
Schließung einer Betriebskrankenkasse. Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Schließung einer Betriebskrankenkasse
Leitsatz (amtlich)
1. Im Falle der Schließung einer Betriebskrankenkasse enden die Arbeitsverhältnisse der bei ihr beschäftigten Mitarbeiter/innen nicht deshalb, weil die Arbeitgeberin erloschen ist. Die gemäß § 155 Abs.1 S.2 SGB V zum Zwecke der Abwicklung fingierte Betriebskrankenkasse ist als Rechtsperson mit der ursprünglichen Körperschaft identisch.
2. Die Arbeitsverhältnisse der ordentlich kündbaren Arbeitnehmer einer Betriebskrankenkasse enden nicht gemäß § 164 Abs.4 S.1 SGB V zum Zeitpunkt der Schließung.
3. Zur Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung im Rahmen der Abwicklung einer geschlossenen Betriebskrankenkasse.
Normenkette
SGB V § 155 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 S. 9, § 164 Abs. 4 S. 1, § 155 Abs. 1, 4, § 164 Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 14.11.2012; Aktenzeichen 8 Ca 4372/12) |
Tenor
Tatbestand
Die Parteien streiten u.a. über eine Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses kraft Gesetzes, infolge einer Befristung sowie durch eine mit betrieblichen Erfordernissen begründete Kündigung.
Die BKK für Heilberufe war als Körperschaft des öffentlichen Rechts Trägerin einer gesetzlichen Krankenkasse und beschäftigte zuletzt ca. 270 Arbeitnehmer. Mit Bescheid vom 02.11.2011 verfügte das Bundesversicherungsamt, dass sie mit Ablauf des 31.12.2011 gemäß § 153 S. 1 Nr. 3 SGB V i.V.m. § 90 Abs. 1 SGB IV geschlossen wird. Wegen des genauen Inhalts und der Begründung der Schließungsentscheidung wird auf die Anlage B 1, Bl. 81 ff. d.A., verwiesen. Die Beklagte wickelt die Geschäfte der geschlossenen Krankenkasse ab.
Die am 30.12.1973 geborene Klägerin ist mit einem GdB von 40 behindert. Durch einen Bescheid der Agentur für Arbeit vom 26.06.2009 ist sie einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Seit dem 01.02.2001 war sie bei der BKK für Heilberufe gegen ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von zuletzt 3.281,00 € beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der "Tarifvertrag BKK für Heilberufe" Anwendung, der u.a. folgende Regelungen enthielt:
"§ 10 Beschäftigungszeit
(1)Beschäftigungszeit sind die bei der BKK und deren Rechtsvorgänger in einem Arbeitsverhältnis zurückgelegten Zeiten, auch wenn sie unterbrochen sind.
...
§ 31 Kündigung
...
(3) Im Übrigen beträgt die Kündigungsfrist bei einer Beschäftigungszeit gemäß § 10
von mehr als 6 Monaten6 Wochen,
von mindestens 5 Jahren3 Monate,
von mindestens 8 Jahren4 Monate,
von mindestens 10 Jahren5 Monate,
von mindestens 12 Jahren6 Monate,
von mindestens 15 Jahren7 Monate
zum Schluss eines Kalendervierteljahres.
Die Kündigungsfristen gelten beidseitig für Arbeitnehmer und Arbeitge- ber.
...
§ 32 Unkündbare Beschäftigte
(1)Nach einer Beschäftigungszeit von 20 Jahren, frühestens jedoch nach Vollendung des 40. Lebensjahres, kann den Beschäftigten nur aus einem in ihrer Person oder in ihrem Verhalten liegenden wichtigen Grund gekündigt werden.
..."
Mit einem Schreiben vom 16.11.2011 teilte die BKK für Heilberufe der Klägerin mit, dass ihr Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31.12.2011, mit dem Tag der durch den Bescheid verfügten Schließung, sein Ende finden werde. Eine Stellung beim Landesverband oder einer anderen Betriebskrankenkasse wurde ihr nicht angeboten.
Abgesehen von wenigen Ausnahmen wurde allen Arbeitnehmern mit einem Schreiben der "BKK für Heilberufe Körperschaft des öffentlichen Rechts in Abwicklung" vom 23.11.2011 ein Angebot auf Abschluss eines befristeten Vertrages für die Zeit vom 01.01. bis zum 30.06.2012 unterbreitet. Die Klägerin nahm dieses Angebot unter dem Vorbehalt an, dass sie nicht mit einer Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses mit der BKK für Heilberufe einverstanden sei und ihren Anspruch auf unbefristete Weiterbeschäftigung bei dieser weiterverfolge. Wegen der Einzelheiten des befristeten Vertrages nebst Vorbehaltserklärung wird auf die Anlagen K 2 und K 3, Bl. 7 - 10 d.A., Bezug genommen.
Auf Antrag der Beklagten erteilte der Landschaftsverband Rheinland (Integrationsamt und Hauptfürsorgestelle) mit Bescheiden vom 21.06.2012 und 24.06.2012 die Zustimmung zum Ausspruch ordentlicher Kündigungen. Der erste Bescheid erging für den Fall, dass das ursprüngliche Arbeitsverhältnis nicht bereits zum 31.12.2011 kraft Gesetzes geendet habe, der zweite Bescheid für den Fall, "dass ein Arbeitsverhältnis ab dem 01.01.2012 wirksam vereinbart werden konnte, bei dem die vorgenommene Befristung unwirksam ist und die Kündigung der Antragsgegnerin erst nach Ablauf von sechs Monaten zugeht". Mit einem Schreiben vom 11.07.2012 (Anlage K 1, Bl. 6 d.A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis "hilfsweise für den Fall, dass eine Beendigung nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V nicht eingetreten ist, zum nächstmöglichen Zeitpunkt". In diesem Schreib...