Entscheidungsstichwort (Thema)
Verhaltensbedingte Kündigung wegen Tätlichkeit gegen Arbeitskollegen. Interessenabwägung
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Tätlichkeit gegenüber einem Arbeitskollegen ist grundsätzlich geeignet, eine verhaltensbedingte außerordentliche oder jedenfalls ordentliche Kündigung zu rechtfertigen.
2. Die Darlegungs- und Beweislast für das Nichtvorliegen der seitens des Arbeitnehmers vorgebrachten entlastenden Umstände trägt der Arbeitgeber.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Mönchengladbach (Urteil vom 21.02.2008; Aktenzeichen 4 Ca 3281/06) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 21. Februar 2008 – 4 Ca 3281/06 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine ordentliche Kündigung.
Der am 1. Oktober 1963 geborene, getrennt lebende und zwei Kindern unterhaltsverpflichtete Kläger ist bei dem Beklagten seit März 1989 zuletzt als Straßenwachtfahrer gegen ein Monatsbruttogehalt von durchschnittlich 3.200, EUR tätig. Der Kläger weist einen Grad der Behinderung von 60 % auf. Er leidet an einem Brustwanddefekt, da ihm aufgrund einer Krebserkrankung die Rippen 4 bis 7 teilentfernt werden mussten. Der Beklagte beschäftigt mehr als zehn Arbeitnehmer.
Am 14. Juni 2006 kam es vor der seitens des Beklagten zur Unterbringung des Straßenwachtfahrzeugs des Herrn T. angemieteten Garage zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und seinem Arbeitskollegen T. kurz nach dessen Dienstschluss, die in ihren Einzelheiten zwischen den Parteien streitig ist. Gegen 22:50 Uhr erstattete Herr T. bei der Polizei eine Strafanzeige wegen Körperverletzung. Am 16. Juni 2006 suchte er seinen Hausarzt auf, der oberflächliche Verletzungen bescheinigte. Der Kläger lebt seit 2005 mit der ebenfalls bei dem Beklagten beschäftigten Frau D. zusammen, welche zuvor die Lebensgefährtin des Herrn T. war. Im Februar 2006 erstatteten der Kläger und Frau D. Strafanzeige gegen Herrn T. wegen achtmonatigem Stalking unter dauerndem Anrufen unter anderem verbunden mit Drohungen, das Pferd der Frau D. abzustechen. Im April 2006 schilderte der Kläger seinem Bereichsleiter die Situation. Ebenfalls im April 2006 folgten weitere Anrufe des Herrn T. ua. auch von dem ihm beklagtenseits zur Verfügung gestellten Diensttelefon, bei denen er Frau D. beschimpfte und bedrohte. Der Kläger und Herr T. arbeiten in unterschiedlichen Teams. Der Kläger hat jedoch seinen Wohnsitz in den Bereich verlegt, der von dem Team des Herrn T. betreut wird. Im Handbuch für die Straßenwacht des Beklagten ist bestimmt, dass die Einstellung eines Straßenwachtmitarbeiters in der Regel für den Einsatz in einem in der unmittelbaren Nähe seines Wohnsitzes gelegenen Bereich erfolgt.
Mit Schreiben vom 22. August 2006 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Mit Urteil vom 6. Juni 2007 stellte das Arbeitsgericht Mönchengladbach auf Antrag des Klägers die Unwirksamkeit der Kündigung fest. Die Berufung des Beklagten wies das Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 25. Oktober 2007, auf dessen Inhalt im Einzelnen verwiesen wird, zurück.
Nach Zustimmung des Integrationsamtes vom 12. September 2006, bei dem Beklagten eingegangen am 18. September 2006, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 11. Oktober 2006, welches der Kläger am 16. Oktober 2006 erhielt, mit Wirkung zum 30. April 2007. Zuvor hatte der Beklagte den bei ihm gebildeten Betriebsrat mit Schreiben vom 6. Oktober 2006 zur Kündigung angehört; der Betriebsrat hat dieser am 10. Oktober 2006 widersprochen.
Mit seiner am 2. November 2006 beim Arbeitsgericht Mönchengladbach eingegangenen Klage hat der Kläger sich gegen die Kündigung gewendet. Er hat behauptet, am Tag der streitigen Auseinandersetzung habe Herr T. ihm und Frau D. auf Gut M., wo diese unstreitig ihr Pferd untergestellt hat, aufgelauert und sei sodann mit dem Dienstwagen zielgerichtet und mit hoher Geschwindigkeit auf ihn zugefahren, so dass er zur Seite habe springen müssen, um nicht überfahren zu werden. Er sei dann zur Wohnung des Herrn T. gefahren, um diesen zur Rede zu stellen. Dort sei es zu einer Rangelei gekommen. Als dieser drohend auf ihn zugekommen sei, habe er ihn mit dem Arm auf Distanz gehalten.
Der Beklagte hat behauptet, der Kläger habe Herrn T. mehrfach ins Gesicht, den Brustkorb und den Schulterbereich geschlagen. Außerdem habe er offenbar auch sehr wütend mit dem Fuß auf ihn eingetreten. Infolge des Angriffs sei Herr T. zu Boden gegangen und sei dabei mit der rechten Kopfseite auf den Boden geschlagen. Infolgedessen hätten sich Schwellungen an seiner Stirn gebildet. Am 15. Juni 2007 gegen 1:00 Uhr sei er wegen starker Schmerzen in ärztlicher Behandlung gewesen. Seinen Hausarzt habe er am 16. Juni 2007 wegen andauernder Schmerzen aufgesucht. Unstreitig liegt dem Beklagten eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Hausarztes für den Zeitraum 15. bis 19. Juni 2006 vor. Den Vortrag des Klägers zu...