Entscheidungsstichwort (Thema)
Politische Weiterbildung. gewerkschaftliche Bildungsveranstaltung. Jedermannzugänglichkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Bildungsveranstaltung mit dem Thema „Arbeitnehmer in Betrieb, Wirtschaft und Gesellschaft I” entspricht den Anforderungen der politischen Weiterbildung i.S.d. § 1 Abs. 2 AWbG NRW (im Anschluß an BAG vom 09.02.1993, AP Nr. 1 zu § 9 BildungsurlaubsG Hessen).
2. Eine von einem Zusammenschluß mehrerer Verwaltungsstellen der IG Metall durchgeführte Bildungsveranstaltung i.S.d. § 9 AWbG ist auch dann für jedermann zugänglich (§ 2 Abs. 4 WbG), wenn sie nur an Arbeitnehmer der für die Verwaltungsstellen zuständigen Bildungsregion bekanntgegeben wird.
3. Die Jedermannzugänglichkeit wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß Gewerkschaftsmitglieder für die Teilnahme an einer gewerkschaftlichen Bildungsveranstaltung neben ihren Mitgliedsbeiträgen keinen zusätzlichen Kostenbeitrag zu leisten brauchen, während Nichtmitglieder „die üblichen Sätze” zu zahlen haben
Normenkette
AWbG §§ 7, 9; WbG NRW § 2 Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Wesel (Urteil vom 28.09.1995; Aktenzeichen 5 Ca 377/95) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Kläger wird dasUrteil des Arbeitsgerichts Wesel vom28.09.1995 – 5 Ca 377/95 – abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 1) 1.005,– DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag ab dem 15.05.1995 zu zahlen.
Die Beklagte wird weiterhin verurteilt, an den Kläger zu 2) 841,75 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 15.05.1995 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Ansprüche auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts nach dem Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz Nordrhein-Westfalen (AWbG).
Die Kläger sind seit mehreren Jahren bei der Beklagten, einem Unternehmen der Metallindustrie, als Arbeitnehmer beschäftigt. Mit Schreiben vom 06.01 bzw. 09.01.1995 beantragten sie Freistellung nach dem AWbG für die Zeit vom 05.03. bis 10.03.1995 zur Teilnahme an einer im Stadthotel L. von der IG Metall – Verwaltungsstelle D. im DGB-Bildungswerk NRW e.V. vorgesehenen Bildungsveranstaltung mit dem Seminarthema: „Arbeitnehmer in Betrieb, Wirtschaft und Gesellschaft I”. Ihrem Antrag fügten sie das betreffende Ablaufprogramm bei, auf dessen Einzelheiten (Bl. 12, 13 d.A.) Bezug genommen wird. Als Seminarziel war dort angegeben:
Grundkenntnisse der sozialen und ökonomischen Zusammenhänge in Betrieb, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundkenntnisse der Aufgaben, wie sie sich aus der Funktion des Betriebsrates und der Jugend- und Auszubildendenvertretung nach der allgemeinen politischen Situation im Betrieb ergeben. Grundkenntnisse der Aufgabenstellung der Funktionsträger im Betrieb nach dem BetrVG, wie sie sich aus Gesetzen, Verordnungen etc. ergeben. Grundkenntnisse über die Bewältigung von Konflikten, die aus dem Arbeitsverhältnis entstehen.
Die Veranstaltung war als Bildungsveranstaltung nach § 9 Satz 1 Buchst d AWbG anerkannt (Bl. 16 d.A.). Sie war neben anderen Veranstaltungen als Wochenseminar der Bildungsregion D., O., M. („DOM”) in dem von der IG Metall, Bildungsregion DOM herausgegebenen „Bildungsprogramm 1995” angekündigt unter gleichzeitigem Hinweis auf „§ 37 Abs. 7 BetrVG, AWbG”. Das Bildungsprogramm 1995 war, wie zwischen den Parteien nunmehr unstreitig ist, zuvor von der IG Metall an die Metallbetriebe der Region D., O., M. übersandt worden, laut Vorbringen der Kläger zu Händen der Betriebsräte mit der Bitte um Bekanntgabe in den Betrieben. In dem Vorwort zu diesem Bildungsprogramm (Bl. 71 d.A.) heißt es unter anderem:
Die in dem vorgelegten Bildungsprogramm angebotenen Seminare sind für jedermann zugänglich, auch dann, wenn sich die Inhalte an den Interessen bestimmter Zielgruppen oder an den Verhältnissen in der Metallwirtschaft orientieren. Für die Teilnahme wird ein Kostenbeitrag für Unterkunft und Verpflegung erhoben. Für Mitarbeiter der IG Metall werden die Kosten übernommen, soweit keine Erstattung nach dem Betriebsverfassungsgesetz oder nach dem Schwerbehindertengesetz durch den Arbeitgeber erfolgt.
In den Richtlinien für die Teilnahme an Seminaren der Bildungsregion DOM heißt es in dem Bildungsprogramm ferner (Bl. 83 d.A.):
An den Seminaren der IG Metall können alle Mitglieder und alle sonstigen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, Männer und Frauen teilnehmen. Ein Anspruch auf Teilnahme besteht nicht.
Anmeldungen zur Teilnahme an Seminaren erfolgen über die IG Metall Verwaltungsstellen D., O. und M. In den Betrieben leitet der Betriebsrat oder Bildungsbeauftragte der IG Metall – Vertrauensleute Bewerbungen, die bei ihm eingehen, an die jeweilige Verwaltungsstelle weiter. Ausschlaggebend für die Reihenfolge der Zulassung ist der Eingangsstempel der Verwaltungsstelle.
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Teilnahmegebühren
Teilnahmegebühren (Unterkunft. Verpflegung und Seminarkosten) werden von Betriebsratsmitgliedern und Mitgliedern von Jugend- und Auszubildendenvertretungen für S...