Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausgleichsklausel;. unzulässige Rechtsausübung. Rechtsmissbrauch. Treu und Glauben
Leitsatz (amtlich)
1. Vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Zusammenhang mit einer einvernehmlichen Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses eine Ausgleichsklausel, nach der sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung vollständig ausgeglichen und endgültig erledigt sind, und werden danach bis dahin nicht bekannte vorsätzlich begangene Vermögensdelikte des Arbeitnehmers aufgedeckt (hier: gewerbsmäßiger Betrug in Höhe von rund 180.000,00 DM), stellt es einen Rechtsmissbrauch und eine unzulässige Rechtsausübung dar, wenn der Arbeitnehmer sich bei entsprechendem Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers auf die mit ihm vereinbarte Ausgleichsklausel beruft.
2. Der Arbeitnehmer, der durch eine vorsätzliche positive Vertragsverletzung und zugleich durch eine vorsätzliche unerlaubte Handlung seinem bisherigen Arbeitgeber einen Schaden zufügt, handelt gegen den die gesamte Rechtsordnung beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB), wenn er, um für sich einen Rechtsvorteil zu erzielen, seinen früheren Arbeitgeber an einer Erklärung festhalten will, die dieser bei Kenntnis des Sachverhalts in dieser Form nicht abgegeben hätte (im Anschluss an BAG vom 09.03.1972 – 1 AZR 165/71 – AP Nr. 10 zu § 242 BGB Unzulässige Rechtsausübung-Verwirkung). Der Grundsatz von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung, die eine gegen § 242 BGB verstoßende Rechtsausübung oder Ausnutzung einer Rechtslage unzulässig macht (BAG vom 04.12.1997 – 2 AZR 799/96 – NZA 1998, 420).
Normenkette
BGB § 242
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 08.02.2001; Aktenzeichen 9 Ca 4820/00) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 08.02.2001 – 9 Ca 4820/00 – abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 177.735,67 DM nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes vom 09.06.1998 ab Klagezustellung (24.07.2000) zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
3. Streitwert: unverändert (177.735,67 DM).
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche aus einem beendeten Arbeitsverhältnis.
Die Klägerin betreibt bundesweit 13 Altenheime/Senioren-Residenzen. Ihre Hauptverwaltung befindet sich in D., ebenso ihre zentrale Rechnungs- und Buchhaltungsabteilung für sämtliche Einrichtungen.
Der am 04.12.1969 geborene Beklagte, zurzeit 31 Jahre alt, ledig, von Beruf Bürokaufmann, war seit dem 01.10.1996 gemäß Arbeitsvertrag der Parteien vom 14.11.1996 als Finanzbuchhalter bei der Klägerin beschäftigt. Seine Vergütung betrug zuletzt rund 4.300,00 DM brutto pro Monat. Zu seinem Aufgabengebiet gehörte unter anderem die Prüfung und Bearbeitung eingehender Rechnungen sowie die Kontierung und Eingabe in das bei der Klägerin bestehende EDV-Buchhaltungsprogramm „SIM-BA”. Für die Begleichung der Rechnungen war von ihm jeweils ein sogenannter Zahlungs-Vorschlag zu erstellen. Die Zahlungen erfolgten dann – nach Unterzeichnung eines Datenträger-Begleitzettels durch eine hierfür unterschriftsberechtigte Person – mittels Datenträgeraustauschs über die Hausbank der Klägerin (Dresdner Bank Düsseldorf) per Banküberweisung.
In der Zeit zwischen dem 17.10.1997 und dem 02.10.1998 erfolgten in 21 näher bezeichneten Fällen verschieden hohe Überweisungen vom Bankkonto der Klägerin auf Privatkonten des Beklagten einschließlich einer Zahlung über 3.174,00 DM an eine Firma M.-Immobilien, und zwar zunächst drei Überweisungen über insgesamt 27.623,88 DM auf sein Privatkonto bei der Stadtsparkasse Aachen (Konto-Nr.: 5324629) bzw. an die Firma M.-Immobilien sowie ab Mitte Dezember 1997 weitere 18 Überweisungen auf das von ihm am 29.09.1997 eingerichtete Privatkonto bei der Bank 24, Bonn (Konto-Nr.: 2935567) über insgesamt 150.111,79 DM, auf beide Konten einschließlich der Zahlung an die Firma M.-Immobilien zusammen 177.735,67 DM.
Im Herbst 1998 kam es zu Spannungen und Differenzen zwischen dem Beklagten und dem Leiter der Abteilung Controlling, dem Zeugen D. S.. In einer persönlichen Unterredung am 08. bzw. 09.11.1998 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass sie das Arbeitsverhältnis beenden wolle, entweder durch Kündigung oder einvernehmlich durch Aufhebungsvertrag. Der Beklagte erklärte sich einverstanden. Unter dem 09.11.1998 schlossen die Parteien folgende Aufhebungsvereinbarung:
- Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis auf Veranlassung der Firma im beiderseitigen Einvernehmen zum 31.12.1998 beendet wird.
- Der Arbeitnehmer wird mit Wirkung vom 09.11.1998 bis zum Ende seines Arbeitsverhältnisses unter Fortzahlung seiner monatlichen Bruttobezüge von abschließend 4.327,60 DM von der Erbringung seiner Arbeitsleistung freigestellt. Der Resturlaubsanspruch wird mit der Fre...