Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschlussklausel. Handlung. unerlaubte. Rechtsmissbrauch. Schadensersatz. Treu und Glauben. Untreue. Verjährung. Versorgungszusage. Widerruf. Unwirksamer Widerruf einer Versorgungszusage bei fehlender Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlage der Arbeitgeberin. Schadensersatzansprüche der Arbeitgeberin aus unerlaubter Handlung. Umfang einer aufhebungsvertraglichen Ausschlussklausel im Hinblick auf Ansprüche aus Vorsatzhaftung. unzureichende Darlegungen des beklagten Arbeitnehmers zur grob fahrlässigen Unkenntnis der Gläubigerin im Rahmen der Verjährungseinrede
Leitsatz (redaktionell)
1. Grobe Pflichtverletzungen, die ein Versorgungsberechtigter begangen hat, berechtigen die Arbeitgeberin nur dann zum Widerruf der Versorgungszusage, wenn die Berufung des Versorgungsberechtigten auf die Versorgungszusage dem Rechtsmissbrauchseinwand (§ 242 BGB) ausgesetzt ist.
2. Stützt sich die Arbeitgeberin auf die Verursachung eines Vermögensschadens durch den Arbeitnehmer, kann sie die Versorgungszusage widerrufen, wenn der Arbeitnehmer seine Pflichten in grober Weise verletzt und ihr hierdurch einen existenzgefährdenden Schaden zugefügt hat; nur dann ist die Berufung des Arbeitnehmers auf die Versorgungszusage rechtsmissbräuchlich.
3. Führen die vom Arbeitnehmer verursachten Vermögensschäden hingegen nicht zu einer Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlage der Arbeitgeberin, sind deren Interessen mit der Möglichkeit, den Arbeitnehmer auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen, hinreichend gewahrt.
4. Haben die Parteien eines Aufhebungsvertrages geregelt, dass mit Erfüllung dieser Vereinbarung keine weiteren Ansprüche "gleich aus welchem Rechtsgrund" aus dem Anstellungsverhältnis mehr bestehen und keine Tatsachen vorliegen, aus denen sich im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung "Ansprüche irgendwelcher Art" herleiten lassen, steht diese Vereinbarung Schadensersatzansprüchen der Arbeitgeberin aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung nicht entgegen; ohne besondere Anzeichen ist regelmäßig nicht davon auszugehen, dass die Parteien des Arbeitsvertrages mit einer Ausschlussklausel auch Fragen der Vorsatzhaftung regeln wollen.
5. Ein Arbeitnehmer, der durch eine vorsätzliche unerlaubte Handlung seiner bisherigen Arbeitgeberin einen Schaden zufügt, verstößt gegen den die gesamte Rechtsordnung beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB), wenn er, um für sich einen Rechtsvorteil zu erzielen, seine frühere Arbeitgeberin an einer Erklärung festhalten will, die diese bei Kenntnis des Sachverhalts in dieser Form nicht abgegeben hätte; der Grundsatz von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung, die eine gegen § 242 BGB verstoßende Rechtsausübung oder Ausnutzung einer Rechtslage unzulässig macht.
6. Die in § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB enthaltene subjektive Voraussetzung für den Verjährungsbeginn knüpft an die Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis der Gläubigerin hinsichtlich aller Merkmale des Anspruchs an; ausreichend ist im Allgemeinen eine solche Kenntnis, die es der Geschädigten erlaubt, eine hinreichend aussichtsreiche (wenn auch nicht risikolose) Feststellungsklage zu erheben, wobei die Geschädigte über einen Kenntnisstand verfügen muss, der sie in die Lage versetzt, eine auf eine deliktische Anspruchsgrundlage gestützte Schadensersatzklage schlüssig zu begründen.
7. Grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB liegt vor, wenn der Gläubigerin die Kenntnis deshalb fehlt, weil sie ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen, wie etwa dann, wenn sich der Gläubigerin die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufgedrängt haben und sie leicht zugängliche Informationsquellen nicht genutzt hat.
8. Hinsichtlich der Kenntnis der für den Beginn der Verjährungsfrist maßgebenden Umstände kommt es grundsätzlich auf die Person der Anspruchsinhaberin selbst an; diese muss sich das Wissen eines Dritten entsprechend § 166 Abs. 1 BGB (als "Wissensvertreter") dann als eigenes Wissen zurechnen lassen, wenn sie den Dritten mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten in eigener Verantwortung betraut, insbesondere ihm im Zusammenhang mit der Verfolgung des Anspruchs die Kenntnisnahme von bestimmten Tatsachen oder die Vornahme der erforderlichen Tatsachenfeststellungen übertragen hat.
9. Die Darlegungs- und Beweislast für die den Beginn und den Ablauf der Verjährung maßgeblichen Umstände trägt, wer sich auf die Verjährung der Ansprüche beruft.
Normenkette
ArbGG § 64 Abs. 6; BGB §§ 199, 242, 823 Abs. 2, § 826; BetrAVG § 1; StGB § 266 Abs. 1; ZPO § 524; BGB §§ 133, 157, 166 Abs. 1, § 199 Abs. 1 Nr. 2, § 611 Abs. 1; InsO § 302 Nr. 1; ZPO § 524 Abs. 2 S. 2, § 850 f Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Entscheidung vom 17.01.2013; Aktenzeichen 10 Ca 4622/11) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird Ziffer 3) des Urteils des Arbeitsgerichts Koblen...