Entscheidungsstichwort (Thema)
Unbegründeter Aussetzungsantrag bei fehlendem Erkenntnisgewinn aus Strafurteil
Leitsatz (redaktionell)
1. § 149 Abs. 1 ZPO stellt die Aussetzung des Verfahrens in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts, wenn die Ermittlung einer Straftat auf die Entscheidung des Zivil- oder Arbeitsgerichts von Einfluss ist; die Beurteilung im Strafverfahren ist für die Gerichte für Arbeitssachen nicht bindend.
2. Aus der bloßen Behauptung der Arbeitgeberin, dass der Arbeitnehmer Bargeldtouren-Listen verfälscht hat, lässt sich kein vorsätzliches Handeln herleiten.
Normenkette
BGB § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1, § 823 Abs. 1; ZPO §§ 149, 149 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Entscheidung vom 15.05.2013; Aktenzeichen 4 Ca 3805/12) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 15. Mai 2013, Az. 4 Ca 3805/12, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten zweitinstanzlich auf die Widerklage noch über Schadensersatzansprüche der Beklagten iHv. weiteren € 3.603,80 und darüber, ob der Kläger die Widerklageforderung iHv. insgesamt € 7.099,07 aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung schuldet.
Der 1970 geborene Kläger war seit dem 01.04.2009 bei der Beklagten, die einen Reifenhandel betreibt, als Kraftfahrer zu einem Monatslohn von zuletzt € 1.900,00 brutto beschäftigt. Der Kläger war als Fahrer verpflichtet, Kunden der Beklagten mit Reifen zu beliefern. Ein Teil der Kundschaft muss die Rechnung bei Lieferung in bar bezahlen. Bei diesen sog. Bargeldkunden kassiert der Fahrer das Geld und quittiert dem Kunden den Erhalt auf der Rechnung bzw. dem Lieferschein. Die Fahrer sind nach der Rückkehr in den Betrieb verpflichtet, das vereinnahmte Bargeld dem Lagerleiter oder dessen Stellvertretern auszuhändigen. Diese Personen sind angewiesen, das Geld im Beisein des Fahrers zu zählen und ihm den Empfang auf einer Bargeldtouren-Liste zu bestätigen, die er selbst führt. Der Lagerleiter oder seine Stellvertreter haben das Geld in der Buchhaltung abzugeben.
Die Beklagte wirft dem Kläger vor, dass er folgende Rechnungsbeträge in bar von ihren Kunden kassiert, das vereinnahmte Geld jedoch nicht beim Lagerleiter bzw. dessen Stellvertretern abgeliefert habe:
lfd. Nr. |
Rechnung vom |
Kunde |
Betrag in EUR |
1. |
12.09.2012 |
A. Autoservice |
1.959,22 |
2. |
17.09.2012 |
E. Ö. |
462,61 |
3. |
08.05.2012 |
Autoservice M. |
222,77 |
4. |
08.05.2012 |
Autoservice M. |
210,15 |
5. |
26.07.2012 |
Barkunden diverse |
640,22 |
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Zwischensumme |
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3.495,27 |
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6. |
10.10.2011 |
A. Tankstellen |
607,85 |
7. |
17.10.2011 |
A. Tankstellen |
1.108,13 |
8. |
05.01.2012 |
Autoservice M. |
190,40 |
9. |
26.03.2012 |
Autoservice M. |
964,38 |
10. |
27.03.2012 |
Autoservice M. |
733,04 |
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Zwischensumme |
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3.603,80 |
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Gesamtsumme |
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7.099,07 |
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 01.10.2012, dem Kläger am 02.10.2012 zugegangen, außerordentlich. Gegen diese Kündigung wehrte sich der Kläger, der ab 01.10.2012 arbeitsunfähig krankgeschrieben war, mit seiner am 18.10.2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage. Er machte außerdem die Zahlung seines Lohnes für September 2012 iHv. € 1.900,00 brutto, die Zahlung von Prämien iHv. insgesamt € 1.900,00 brutto (für März 2011 bis September 2012) sowie eines Nettobetrags von € 150,00 geltend, den die Beklagte vom Nettolohn für Juni 2012 einbehalten hatte. Mit ihrer am 16.01.2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen Widerklage verlangte die Beklagte die Zahlung von Schadensersatz iHv. insgesamt € 7.099,07 und die Feststellung, dass die Forderung auf unerlaubter Handlung beruht.
Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes, des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der erstinstanzlich gestellten Sachanträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom15.05.2013 Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage gegen die fristlose Kündigung der Beklagten vom 01.10.2012 abgewiesen. Es hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 29/30 des Lohnes für September 2012 iHv. € 1.836,67 brutto sowie für Januar bis September 2012 Prämien iHv. € 900,00 brutto, jeweils nebst Zinsen zu zahlen. Die weitergehende Zahlungsklage hat das Arbeitsgericht abgewiesen. Auf die Widerklage hat das Arbeitsgericht den Kläger verurteilt, an die Beklagte Schadensersatz iHv. € 3.495,27 nebst Zinsen zu zahlen. Insoweit ist das Urteil vom 15.05.2013 rechtskräftig geworden.
Zur Begründung der Entscheidung hat das Arbeitsgericht - soweit zweitinstanzlich noch von Interesse - ausgeführt, die Widerklage sei nur zum Teil begründet. Der Kläger schulde der Beklagten Schadensersatz iHv. € 3.495,27 aus §§ 280 Abs. 1 , 619a BGB. Die Beträge von € 1.959,22 und € 462,61 habe der Kläger unstreitig vereinnahmt und - nach seinem eigenen Vorbingen - unverschlossen aufbewahrt. Dies sei grob fahrlässig. Soweit der Kläger bestreite, die Beträge von € 222,77, € 210,15 und € 640,22 von den Kunden kassiert zu haben, könne er damit nicht durchdringen, weil er den Kunden den Empfang de...