Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässiger Ausforschungsbeweis zum Zufluss von Geldern an den Arbeitnehmer. Unbegründete Widerklage der Arbeitgeberin auf Rückzahlung vereinnahmter Geldbeträge
Leitsatz (redaktionell)
1. Wird ein Beweis angetreten, bei dem es an der Bestimmtheit der zu beweisenden Tatsachen fehlt, und sollen durch die beabsichtigte Beweiserhebung erst die Grundlagen für substantiierte Tatsachenbehauptungen gewonnen werden, ist dieser Beweisantritt unzulässig und unbeachtlich.
2. Gemäß § 373 ZPO muss die beweispflichtige Partei diejenigen Tatsachen bezeichnen, zu denen der Zeuge vernommen werden soll; Tatsachen sind konkrete, nach Zeit und Raum bestimmte, der Vergangenheit oder der Gegenwart angehörende Geschehnisse oder Zustände.
3. Entsprechen die unter Beweis gestellten Tatsachenbehauptungen nicht diesen Anforderungen, hat die Beweiserhebung aufgrund dieses unzulässigen Ausforschungsbeweisantritts zu unterbleiben.
4. Das Beweisangebot der Arbeitgeberin, zwei Zeugen zu der Behauptung zu vernehmen, dass der Arbeitnehmer einzelne Geldbeträge entweder von dem einen oder von dem anderen Zeugen erhalten hat, ist als Ausforschungsbeweisantrag unzulässig, da aus dem Sachvortrag der Arbeitgeberin nicht ersichtlich ist, von wem der beiden Zeugen der Arbeitnehmer die Geldbeträge erhalten hat; kann ein bestimmter Sachvortrag allenfalls auf der Grundlage der Zeugenaussagen erfolgen, dient der Beweisantritt der Arbeitgeberin letztlich der Ausforschung von Tatsachen über den Zufluss einzelner Gelder an den Arbeitnehmer, auf deren Grundlage dann bestimmt dargelegt werden kann, von welcher konkreten Person der Arbeitnehmer welche konkreten Beträge erhalten hat.
Normenkette
BGB § 280 Abs. 1, § 823 Abs. 1; ZPO §§ 373, 138, 286 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Entscheidung vom 20.11.2013; Aktenzeichen 4 Ca 589/13) |
Tenor
- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 20.11.2013, AZ: 4 Ca 589/13, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im vorliegenden Berufungsverfahren noch über einen im Wege der Widerklage geltend gemachten Schadensersatzanspruch der Beklagten.
Der Kläger war bei der Beklagten, die einen überregionalen Reifengroßhandel betreibt, vom 01.06.2011 bis zum 16.11.2012 als Buchhalter beschäftigt. Mit seiner am 15.02.2013 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat er von der Beklagten die Zahlung von Arbeitsentgelt, Urlaubsabgeltung, die Erteilung eines Zeugnisses sowie die Erteilung einer Gehaltsabrechnung begehrt. Die Beklagte hat den Kläger ihrerseits im Wege der Widerklage auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 2.280,00 € wegen unberechtigter Löschung von Datensätzen sowie auf Zahlung weiteren Schadensersatzes in Höhe von 14.892,56 € mit der Begründung in Anspruch genommen, der Kläger habe Geldbeträge in dieser Gesamthöhe, die ein Auslieferungsfahrer von Kunden entgegen genommen habe, für sich vereinnahmt.
Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes, des erstinstanzlichen streitigen Vorbringens sowie der erstinstanzlich gestellten Sachanträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 20.11.2013 (Bl. 120-127 d. A.).
Das Arbeitsgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugin Hermanspahn der Klage auf Zahlung von Arbeitsvergütung nebst Urlaubsabgeltung in Höhe von 2.282,82 € brutto sowie der Klage auf Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses stattgegeben. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Auf die Widerklage der Beklagten hat das Arbeitsgericht den Kläger wegen der unberechtigten Löschung von Datensätzen zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 2.280,00 € verurteilt. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Widerklage abgewiesen. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 8 bis 16 (= Bl. 127-135 d. A.) des Urteils vom 20.11.2013 verwiesen.
Gegen das ihr am 05.02.2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 05.03.2014 Berufung eingelegt und diese am 04.04.2014 begründet.
Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts habe sie (bereits erstinstanzlich) lückenlos dargelegt, dass der Kläger die betreffenden Geldbeträge vereinnahmt habe. Die (frühere) Mitarbeiterin G. oder der Mitarbeiter D. hätten die von den Auslieferungsfahrern bei Kunden eingenommenen und im Betrieb abgelieferten Geldbeträge jeweils dem Kläger ausgehändigt. Bezüglich dieser Behauptung hätte das Arbeitsgericht durch Vernehmung der hierfür benannten Zeugen B. und G. Beweis erheben müssen. Darüber hinaus sei das unberechtigte Löschen von Datensätzen durch den Kläger als ein nach § 823 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtender Eingriff in den eingerichteten und ausübten Gewerbebetrieb zu qualifizieren. Es komme daher insoweit nicht darauf an, ob der Kläger den Schaden (auch) dadurch verursacht habe, ...