Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Kündigung. Betriebsübergang. Flugzeugreinigung

 

Leitsatz (redaktionell)

Die bloße Auftragsnachfolge stellt weder einen Betriebsübergang i.S.v. § 613a BGB noch den Übergang einer ihre Identität wahrenden wirtschaftlichen Einheit im Sinn der Betriebsübergangsrichtlinie 2001/23/EG dar - und zwar auch dann, wenn ein Dienstleistungsauftrag im Wesentlichen der einzige Auftrag eines Betriebs gewesen ist -, jedoch kann die Neuvergabe eines Auftrags an einen neuen Auftragnehmer dann einen Betriebsübergang darstellen, wenn zusätzliche Umstände vorliegen, die bei wertender Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls die Annahme des Fortbestands der wirtschaftlichen Einheit rechtfertigen. Entscheidend ist, dass der Übergang einer wirtschaftlichen Einheit den Fortbestand der organisatorischen Zusammenfassung und der funktionellen Verknüpfung von Ressourcen voraussetzt. Demzufolge ist eine vom Arbeitgeber mit einer Stilllegungsabsicht begründete Kündigung nur dann gerechtfertigt, wenn sich im Zeitpunkt ihres Zugangs die geplante Maßnahme nicht als Betriebsveräußerung darstellt, mag der Veräußerer diesen Vorgang auch rechtlich unzutreffend als Betriebsstilllegung werten.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2; BGB § 613a

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Urteil vom 14.03.2011; Aktenzeichen 2 Ca 6498/10)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten und der Streitverkündeten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 14.03.2011 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wurde von der Beklagten als Reinigungskraft für die Flugzeuginnenreinigung eingesetzt.

Die Parteien streiten – ebenso wie andere Arbeitnehmer in Parallelverfahren – über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung sowie über das Vorliegen eines Betriebsüberganges von der Beklagten auf die Streithelferin.

Die Beklagte ist ein Reinigungsunternehmen. Ihre Gesellschaftsanteile werden zu 100% von der L. Management Service GmbH gehalten. Die Beklagte unterhielt am Flughafen E. eine Station, für die ein eigener Betriebsrat gewählt wurde. Leiter der Station war zuletzt Herr T., sein Stellvertreter Herr I.. Die Arbeitnehmer der Station waren hauptsächlich mit der Reinigung von Flugzeugen befasst. Etwa 80% des Umsatzes entfielen auf einen Auftrag der B. C. Gruppe, ca. 20% auf einen Auftrag der Flughafengesellschaft E.. Daneben bestanden noch drei Kleinstaufträge der Firmen O.-M., H. und B.-Partner. Diese Firmen hatten ihre Räumlichkeiten am Flughafen E. neben denen der Beklagten und wurden daher direkt von der Beklagten gereinigt.

Die Streitverkündete beschreibt ihre Leistungen in ihrem Internetauftritt folgendermaßen:

„unser Schwerpunkt ist die klassische Arbeitnehmerüberlassung und Personalvermittlung am Flughafen E.. Dabei konzentriert sich die E. Personalservice GmbH speziell auf die Vermittlung von Fachkräften in den Bereichen

  • Bodenverkehrsdienste
  • Luftfahrtindustrie
  • Flugzeugreinigung”

Ausweislich des Handelsregisters B des Amtsgerichts Düsseldorf wurde die Beklagte mit Gesellschaftsvertrag von 22.3.2004 gegründet. Zum Geschäftsführer wurde u.a. Herr X. K. bestellte, der bis dahin Stationsleiter der Beklagten am Flughafen E. gewesen war. Gegenstand des Unternehmens war:

„Die gewerbsmäßige Vermittlung und Überlassung von Arbeitskräften an Dritte (Arbeits- bzw. Arbeitskräftevermittlung) sowie alle damit zusammenhängenden Dienstleistungen. Die Betätigung umfasst, zur Sicherstellung eines geordneten Flugverkehrs, im Schwerpunkt die Überlassung von Arbeitskräften an die Flughafen E. H. I. GmbH.”

Die Flughafen E. GmbH hält 49% der Anteile an der Streithelferin. 51% der Anteile gehören der L. Beteiligungs GmbH, deren alleinige Gesellschafterin wiederum die L. Service Management ist.

Am 22.12.2006 schloss die Beklagte einen Dienstleistungsauftrag über die Reinigung von Flugzeugen mit der Fluggesellschaft M. GmbH ab (vgl. Auszüge aus der Vertragsurkunde). Die Erfüllung dieses Auftrags vergab die Beklagte an die Streitverkündete als Subunternehmer. Jedenfalls im Jahr 2007 wurde der M.-Auftrag auf diese Weise abgewickelt. Nach der Übernahme der M. durch die B. C. Gruppe wurde die Flugzeugreinigung sukzessive in das Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten und der B. C. übernommen. Ob und wann das Vertragsverhältnis zwischen der M. GmbH und der Streitverkündeten sowie der Subunternehmervertrag der Beklagten gekündigt wurden, konnte im Verfahren 1. Instanz nicht aufgeklärt werden.

Die Beklagte überließ der Streitverkündeten regelmäßig eine größere Anzahl von Leiharbeitnehmern, die bei der Beklagten in der Flugzeuginnenreinigung eingesetzt wurden. Die Einstellung von Leiharbeitnehmern der Streitverkündeten war zwischen dem Betriebsrat und der Beklagten geregelt in einer Betriebsvereinbarung vom August 2008, nach der ein Pool von Leiharbeitnehmern bestand, deren Einsatz pauschal unter Beachtung von Obergrenzen genehmigt wurde. Nach § 3 Abs. 2 der Betriebsvereinbarung konnte die Beklagte während d...

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