Entscheidungsstichwort (Thema)
Höchstaltersgrenze von 50 Jahren in der betrieblichen Altersversorgung
Leitsatz (amtlich)
1. Schließt eine Versorgungsordnung Arbeitnehmer von jeglichen Versorgungsleistungen aus, welche ihre Tätigkeit nach dem vollendeten 50. Lebensjahr aufnehmen, liegt darin eine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters. Ein derart niedriges Höchstalter ist unverhältnismäßig i.S.v. § 10 Sätze 1, 2 AGG.
2. Eine Wartezeit von 10 Jahren in der Versorgungsordnung beinhaltet keine unzulässige Altersdiskriminierung.
3. Kombiniert eine Versorgungsordnung eine unzulässige Höchstaltersgrenze mit einer Wartezeit, beginnt die Wartezeit erst mit In-Kraft-Treten des AGG am 18.08.2006 zu laufen.
Normenkette
AGG §§ 1-3, 7, 10, 33; BetrAVG §§ 1b, 30f; BetrVG § 75; ZPO § 256; RL 2000/78/EG Art. 18
Verfahrensgang
ArbG Essen (Urteil vom 11.10.2011; Aktenzeichen 2 Ca 2754/10) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 11.10.2011 – 2 Ca 2754/10 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten der Berufung werden der Klägerin auferlegt.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die am 08.11.1944 geborene Klägerin war vom 26.02.1996 bis zum 30.06.2010 auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 26.02.1996 als Verkäuferin bei der I. E.-Schuhe GmbH & Co. KG, der jetzigen E. SE beschäftigt. Für Mitarbeiterinnen, die bis zum 30.06.1997 eintraten, bestand folgender Leistungsplan der Unterstützungskasse der E.-Schuhe GmbH & Co. KG (LP), der jetzt als Unterstützungskasse der E. SE firmierenden Beklagten. In diesem hieß es u.a.:
„§ 1 Arten der Leistungen
(1) Die Unterstützungskasse gewährt:
- Altersrenten – § 6 –
- Invalidenrenten – § 7 – ….
§ 2 Voraussetzungen für die Leistungen
(1) Versorgungsleistungen werden gewährt, wenn der Betriebsangehörige
a) Eine anrechnungsfähige Dienstzeit (§ 3) von mindestens zehn Jahren (Wartezeit) erfüllt …
§ 3 Anrechnungsfähige Dienstzeit
(1) Als anrechnungsfähige Dienstzeit gilt rentenbegründend die Zeit, die der Betriebsangehörige ununterbrochen in den Diensten der Firma verbracht hat. …. Als rentensteigernde Dienstzeit werden nur Dienstjahre angerechnet, in denen der Arbeitnehmer für mehr als 6 volle Monate in einem entgeltpflichtigen Arbeitsverhältnis zur Firma gestanden hat.
Nach dem vollendeten 60. Lebensjahr werden Dienstjahre nicht mehr angerechnet.
Es werden nur die ersten 30 rentenbegründenden Dienstjahre für die Ermittlung des Rentenanspruchs berücksichtigt.
Bei Aufnahme der Tätigkeit nach dem vollendeten 50. Lebensjahr kann eine Anwartschaft auf Versorgungsleistungen nicht mehr erworben werden. ….
§ 4 Rentenfähiges Einkommen
(1) Als rentenfähiges Einkommen gilt der monatliche Durchschnitt des Brutto-Arbeitseinkommens, das der Betriebsangehörige von der Firma in den letzten 5 Dienstjahren bezogen hat. ….
§ 5 Höhe der Renten
…
(2) Die Renten werden wie folgt errechnet:
In den ersten zehn Jahren (Wartezeit) für jedes anrechnungsfähige Dienstjahr (§ 3)1,0 v.H. und für jedes nach der Wartezeit zurückgelegte weitere anrechnungsfähige Dienstjahr 0,5 v.H.
Die Höchstgrenze beträgt 20 v.H. des rentenfähigen Einkommens. ….
§ 5 Altersrente
(1) Altersrente wird den Betriebsangehörigen gewährt, die das 65. Lebensjahr vollendet haben und aus der Firma oder den Diensten des derzeitigen Arbeitgebers ausgeschieden sind. ….”
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den zur Akte gereichten Leistungsplan Bezug genommen. Das Versorgungswerk wurde aufgrund des Beschlusses des Vorstands der Beklagten vom 25.06.2001 geschlossen.
Die Klägerin ist der Ansicht gewesen, ihr stehe gemäß §§ 1 Abs. 1 a, 6 Abs. 1 LP eine Altersrente in Höhe von 12% des monatlichen Durchschnitts ihres Bruttoarbeitseinkommens, das sie in den letzten 5 Dienstjahren von der E. SE bezogen hat, zu. Der Ausschluss von Arbeitnehmern aus dem Leistungsplan, welche das 50. Lebensjahr vollendet haben, sei eine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters i.S.v. § 1 AGG, mithin gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Eine Rechtfertigung gemäß § 10 AGG komme nicht in Betracht. Dies gelte ebenfalls für den Ausschluss der anrechnungsfähigen Dienstjahre ab dem 60. Lebensjahr. Das AGG komme zur Anwendung, weil der Leistungsfall nach In-Kraft-Treten des AGG eingetreten sei. Auf das Risiko einer Invaliditätsrente käme es nicht an, weil sie lediglich eine Rente wegen Alters begehre. Zudem sehe § 13 LP eine Härtefallklausel vor.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr mit Wirkung ab dem 01.07.2010 eine betriebliche Altersrente in Höhe von 12% des monatlichen Durchschnitts ihres Bruttoarbeitseinkommens, das sie in den letzten 5 Dienstjahren von der E. SE bezogen hat, zu zahlen und zwar nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit und dann jeweiliger Fälligkeit.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht ver...