Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsfolgen des formularmäßig erklärten Verzichts des Personalrats auf eine Stellungnahme hinsichtlich der Frist für die Zustimmungsfiktion gem. § 66 Abs. 2 S. 5 LPVG NW

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein gerichtlicher Hinweis nach § 17 S. 2 TzBfG i. V. m. § 6 KSchG hat - jedenfalls in allgemeiner Form - auch dann zu erfolgen, wenn die klagende Partei gewerkschaftlich oder anwaltlich vertreten ist.

2. Die formularmäßig erteilte Erklärung des Personalrats, er verzichte auf eine Stellungnahme - bezogen auf eine beabsichtigte befristete Einstellung einer Vertretungslehrerin - führt nicht zur Verkürzung der Zustimmungsfiktion gemäß § 66 Abs. 2 S. 5 LPVG NW. Der Annahme einer konkludenten Zustimmung steht das im LPVG NW normierte positive Konsensprinzip entgegen.

3. Der unmittelbare Anschluss eines neuen Arbeitsverhältnisses an ein beendetes beim selben Arbeitgeber ist als Neueinstellung anzusehen.

 

Normenkette

LPVG NW § 66 Abs. 2 S. 5

 

Verfahrensgang

ArbG Essen (Entscheidung vom 28.05.2015; Aktenzeichen 1 Ca 3578/14)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 21.03.2018; Aktenzeichen 7 AZR 408/16)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 28.05.2015, 1 Ca 3578/14, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der Befristungsabrede aus dem Arbeitsvertrag vom 14./19.08.2014 mit Ablauf des 24.12.2014 sein Ende gefunden hat.
    2. Das beklagte Land wird verurteilt, die Klägerin als Lehrkraft mit 28 von 28 Pflichtwochenstunden pro Woche über den 24.12.2014 hinaus weiter zu beschäftigen.
    3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  • II.

    Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

  • III.

    Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu 37 %, das beklagte Land zu 63 % zu tragen.

  • IV.

    Die Revision wird für die Klägerin und für das beklagte Land zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres letzten Arbeitsvertrages, über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin und einen Anspruch auf Restvergütungszahlung.

Die am 17.01.1966 geborene, ledige Klägerin ist Diplom-Sportlehrerin ohne weitere Lehramtsbefähigung. Sie ist bei dem beklagten Land - erstmals mit Vertrag vom 11.07.2006 - aufgrund von 27 Arbeits- bzw. Verlängerungsverträgen an 14 unterschiedlichen Schulen mit unterschiedlichen Schulformen - Gesamtschule, Förderschule, Grundschule - als Lehrerin, unter anderem im Fach Sport, mit unterschiedlichen Unterrichtsstundenverpflichtungen beschäftigt worden. Auf das Arbeitsverhältnis fanden jeweils der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) nebst ergänzender Tarifverträge Anwendung.

Mit Schreiben vom 07.08.2009 teilte die Bezirksregierung Arnsberg der Klägerin mit, dass sie rückwirkend ab dem 01.08.2008 der Entwicklungsstufe 4 der Entgeltstufe 10 zugeordnet werde. Ausweislich des Schreibens wurden als "förderliche Zeiten" im Sinne des Erlasses des Ministeriums für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen (MSW) vom 23.02.2008 Tätigkeitszeiten der Klägerin ab dem 01.01.1996 berücksichtigt, und zwar insgesamt sechs Jahre und zweieinhalb Monate. Wegen des Inhalts des Schreibens im Einzelnen wird auf Bl. 110 bis 111 der Akte Bezug genommen.

Der letzte Vertrag datiert vom 14./19.08.2014 und war befristet für die Zeit vom 20.08. bis zum 24.12.2014 mit einem Unterrichtsstundenumfang von 28 Stunden pro Woche. Gemäß § 4 des Vertrages wurde die Klägerin unter Vorbehalt einer Abordnung oder Versetzung gemäß § 4 TV-L der Grundschule an der T. strasse in Essen zugewiesen. Als Befristungsgrund für die Befristung dieses letzten Arbeitsvertrages wird die Vertretung der Lehrerin N. M. genannt, die sich in Elternzeit befand.

Da sich nach dem unbestrittenen Vortrag des beklagten Landes außer der Klägerin auf diese befristete Vertretungsstelle lediglich ein aus Sicht der Schulleitung weniger geeigneter Diplom-Biologe beworben hatte, wurde die Auswahlentscheidung zugunsten der Klägerin getroffen.

Auf S. 5 des erstinstanzlichen Schriftsatzes vom 23.02.2015 (Bl. 166 der Akte) hat das beklagte Land Folgendes vorgetragen:

"Nach Anhörung und Zustimmung des zuständigen Personalrats erfolgte dann eine entsprechende Einstellung der Klägerin auf der Grundlage des befristeten Arbeitsvertrages vom 14./19.08.2014."

Die Klägerin hat sich erstmalig im Berufungsverfahren darauf berufen, dass die Befristung unwirksam sei, weil im Zeitpunkt der Vereinbarung des letzten Vertrages die Zustimmung des Personalrats nicht vorgelegen habe.

Im Berufungsverfahren legte das beklagte Land sodann eine E-Mail der Personalratsvorsitzenden Frau I. vom 02.07.2014 vor, in der diese unter anderem dem für die Vorbereitung und Durchführung der Personalratsanhörung im Schulamt zuständigen Sachbearbeiter Herrn I. Folgendes mitteilte:

Betreff: Ferienregelung Personalrat

"Sehr geehrte Damen und Herren,

in den Sommerferien tagt der Personalrat am 7.7.2014 und dann wieder am 14.8.2014. Die Sachbearbeiter bitten ...

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