Entscheidungsstichwort (Thema)

Höchstzulässige Arbeitszeit nach Tarifvertrag bzw. Gesetz

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine Änderungskündigung zur Arbeitszeitveränderung aufgrund tariflicher Arbeitszeitregelungen, die Änderungen der Vergütung zur Folge hat, unterliegt nicht der Rechtsprechung zur Änderungskündigung zur reinen Lohnreduzierung.

 

Normenkette

MTV Speditions-, Logistik- und Transportwirtschaft § 2a; ArbZG § 21a

 

Verfahrensgang

ArbG Essen (Urteil vom 19.01.2011; Aktenzeichen 6 Ca 2751/10)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 17.10.2012; Aktenzeichen 5 AZR 697/11)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 19.01.2011 – 6 Ca 2751/10 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger ist seit dem 02.12.1999 bei der Beklagten, die ein Speditionsunternehmen betreibt, beschäftigt. Der Arbeitsvertrag vom 01.12.1999 enthält u. a. folgende Regelungen:

„1. Vertragsgrundlagen

sind die jeweils zwischen den Arbeitgeber- und Arbeitnehmer- Organisationen gültigen Lohn- und Manteltarifverträge.

7. Arbeitsentgeld

  1. für eine monatliche Arbeitszeit bis zu 260 Stunden, exklusive gesetzlicher Pause
  2. der monatliche Brutto-Lohn beträgt DM 5.000,00
  3. Einsatzstunden (ab 261) werden mit gesetzlichen und/oder tariflichen Zuschlägen vergütet.

…”

Wegen des näheren Inhalts des Arbeitsvertrages wird ausdrücklich auf diesen verwiesen.

Der Kläger erhielt auf der Basis des Arbeitsvertrages vom 01.12.1999 zuletzt einen monatlichen Bruttolohn von 2.767,13 EUR. Seine Arbeitszeit schwankte regelmäßig unterhalb von 260 Stunden.

Die Beklagte legte dem Kläger einen von ihr bereits am 05.07.2010 unterschriebenen neuen Arbeitsvertrag vor. Dieser sah in § 4.1 ein monatliches Festgehalt in Höhe von 1.866,97 EUR brutto vor. Den ihm vorgelegten Arbeitsvertrag, der am 01.08.2010 in Kraft treten sollte, unterschrieb der Kläger nicht.

Im August 2010 zahlte die Beklagte ausweislich der von ihr erstellten Abrechnung einen Monatslohn in Höhe von 1.830,08 EUR brutto, eine „Überstundengrundvergütung” in Höhe von 601,16 EUR brutto, einen Nachtzuschlag in Höhe von 9,18 EUR brutto sowie einen Arbeitgeber-Anteil Vermögenswirksame Leistung in Höhe von 13,29 EUR brutto.

Mit seiner beim Arbeitsgericht Essen am 27.09.2010 eingereichten und der Beklagten am 05.10.2010 zugestellten Klage hat der Kläger zunächst für August 2010 die Differenz zwischen der bis zum 31.07.2010 von der Beklagten geleisteten festen Monatsvergütung in Höhe von 2.767,13 EUR und dem von der Beklagten für August 2010 tatsächlich gezahlten Gesamtbruttoentgelt in Höhe von 2.453,71 EUR (= 1.830,08 EUR brutto zuzüglich 601,16 EUR brutto), also 335,89 EUR brutto, sowie die Zahlung einer monatlichen Bruttovergütung von 2.767,13 EUR ab September 2010 verlangt. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte könne nicht einseitig die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung ändern.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 335,89 EUR brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.09.2010 zu zahlen;
  2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm ab September 2010 eine monatliche Bruttovergütung von 2.767,13 EUR zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat im Wesentlichen geltend gemacht:

Der von ihr ab August 2010 praktizierte Auszahlungsmodus stelle letztlich keine Abweichung von der bisherigen Vereinbarung dar. Die Regelung im Arbeitsvertrag vom 01.12.1999 zur Arbeitszeit verstoße gegen § 2a, II, Nr. 1 Satz 1 des dort in Bezug genommenen Manteltarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Speditions-, Logistik- und Transportwirtschaft im Tarifgebiet Nordrhein-Westfalen vom 21.04.2009, wonach die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit – unstreitig – für Kraftfahrer 40 Stunden betrage. Die Arbeitszeitregelung im Arbeitsvertrag sei somit nach §§ 134, 139 BGB teilnichtig. Deshalb könne sie nicht zur Zahlung des vollen Lohnes verpflichtet bleiben. Es sei im Wege ergänzender Vertragsauslegung ein Verhältnis zwischen dem fiktiven Stundenlohn aus 2.767,13 EUR brutto monatlich dividiert durch 260 Stunden im Monat zu bilden. Die sich so ergebenden 10,64 EUR brutto pro Stunde würden sodann bei der tariflichen Grundarbeitszeit von 40 Stunden pro Woche zu einem Monatslohn von 1.830,08 EUR brutto führen. Mehrarbeitsstunden über die 40-Stunden-Woche hinaus seien insofern entsprechend dem Stundenlohn zuzüglich tariflicher Zuschläge zu vergüten. Es sei allgemein anerkannt, dass bei einer Arbeitszeitänderung aufgrund gesetzlicher Vorschriften die Vergütung proportional anzupassen sei. Dies müsse schon deshalb gelten, weil sie sich ihrerseits nicht auf eine Änderungskündigung berufen könne.

Mit seinem am 19.01.2011 verkündeten Urteil hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die Beklagte hätte die dem Kläger zustehende Vergütung nicht einseitig anpassen können. Insbesondere hätte...

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