Entscheidungsstichwort (Thema)
Sachbezüge. Aktienbezugsrechte. Truckverbot
Leitsatz (amtlich)
Eine arbeitvertragliche Vereinbarung, wonach ein erheblicher Teil der vereinbarten Vergütung durch die Gewährung von Aktienbezugsrechten erfüllt wird, verstößt gegen § 107 Abs. 1 GewO. Eine derartige Vereinbarung entspricht regelmäßig nicht den Interessen des Arbeitnehmers und kann auch nicht mit der Eigenart des Arbeitsverhältnisses begründet werden.
Normenkette
GewO § 107; BGB § 134
Verfahrensgang
ArbG Mönchengladbach (Urteil vom 29.05.2008; Aktenzeichen 3 Ca 788/08) |
Tenor
1) Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 29.05.2008 – 3 Ca 788/08 – abgeändert:
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.480,– EUR brutto abzüglich gezahlter 1.237,19 EUR netto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.01.2008 zu zahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.480,– EUR brutto abzüglich gezahlter 1.670,– EUR netto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.02.2008 zu zahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.794,60 EUR brutto nebst 5 % Zinsenüber dem Basiszinssatz der EZB seit dem 12.02.2008 abzüglich am 26.05.2008 gezahlter 612,33 EUR netto zu zahlen.
2) Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3) Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Frage, ob es zulässig ist, einen Teil der zwischen ihnen vereinbarten Vergütung als Bezugsrechte auf stimmrechtslose Vorzugsaktien der Beklagten auszuweisen.
Der am 07.04.1965 geborene Kläger war aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 28./30.11.2007 als Webredakteur der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte entwickelt als so genanntes Start-up-Unternehmen eine Internetplattform mit neuartiger auditiver Dimension, die es ermöglichen soll, unabhängig von Bildschirm, Maus und Tastatur nur über ein handelsübliches Headset mit Funkverbindung im Internet zu surfen.
§ 3 des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages lautet auszugsweise:
(1) Der Mitarbeiter erhält als Vergütung für seine Tätigkeit ein Brutto-Monatsgehalt von 6.480,– EUR, zahlbar in Bezugsrechten auf 1500 Stück auf den Namen lautender stimmrechtsloser Vorzugsaktien der Gesellschaft zum geringsten Ausgabebetrag, wobei ein Bezugsrecht auf eine Aktie mit einem Wert von 1,– EUR angesetzt wird, sowie der Rest bargeldlos jeweils zum Monatsende.
Am 19.12.2007 vereinbarten die Parteien zusätzlich eine „Anlage Nr. 1 zum befristeten Probearbeitsvertrag”, in der es heißt:
Die Aktien der Gesellschaft werden im Januar 2008 depotfähig. Somit wird der Mitarbeiter nicht mehr in Bezugsrechten auf Aktien der Gesellschaft, sondern in Aktien selbst teilweise vergütet.
Deshalb vereinbaren der Mitarbeiter und die Gesellschaft folgende Änderung zum Arbeitsvertrag vom 28./30.11.2007 mit Wirkung ab 01.01.2008:
§ 3 Absatz (1) des Arbeitsvertrages wird wie folgt neu gefasst:
(1) Der Mitarbeiter erhält als Vergütung für seine Tätigkeit ein Brutto-Monatsgehalt von 6.480,– EUR, zahlbar jeweils zum Monatsende in Geld in Höhe von 1.670,– EUR bargeldlos sowie der Rest in auf den Namen lautender stimmrechtsloser Vorzugsaktien der Dr. L. GmbH & Co. Media KGaA, B., zum niedrigsten Kurs am Tag der Überlassung.
Der Kläger, für den eine Wochenarbeitszeit von 30 Stunden galt, kündigte das mit der Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis am 23.01.2007 zum 11.02.2008. Für seine bis dahin erbrachten Leistungen zahlte ihm die Beklagte folgende Beträge tatsächlich aus:
Dezember 2007 am 20.12.2008 ein Geldbetrag von 1.237,19 EUR
Januar 2008 am 28.01.2008 ein Geldbetrag von 1.670,– EUR
Februar 2008 am 23.05.2008 ein Geldbetrag von 612,33 EUR
Mit seiner am 14.03.2008 beim Arbeitsgericht Mönchengladbach anhängig gemachten Klage hat der Kläger weitere Vergütung für die Monate Dezember 2007 bis Februar 2008 in Höhe von insgesamt 14.754,60 EUR brutto geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, dass die Vereinbarung über die Aktienbezugsrechte sittenwidrig und damit rechtsunwirksam wäre. Dies ergebe sich zum einen aus der Tatsache, dass die Aktien zum Zeitpunkt des Bestehens des Arbeitsverhältnisses in keiner Weise handelbar gewesen seien und auch an der Börse nicht zugelassen wären. Zum anderen folge die Rechtsunwirksamkeit aber auch aus den Regelungen des § 107 Abs. 2 GewO.
Der Kläger hat sich zur Berechnung seiner Vergütungsforderung auf die vereinbarte Vergütung von 6.480,– EUR brutto pro Monat bezogen und hiervon die tatsächlich gezahlten Nettobeträge in Abzug gebracht.
Er hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.480,– EUR brutto abzüglich gezahlter 1.237,19 EUR netto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.01.2008 zu zahlen;
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.480,– EUR brutto abzüglich gezahlter 1.670,– EUR netto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.02.2008 zu zahlen;
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.794,60 EUR brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 12.02.2...