Entscheidungsstichwort (Thema)

Konkretisierung einer Arbeitspflicht. Vorarbeiter

 

Leitsatz (amtlich)

Für die Frage, ob sich die vom Arbeitnehmer geschuldeten Arbeitspflichten nach längerer Zeit auch auf die Arbeitspflicht als Vorarbeiter konkretisieren können, kommt es nicht auf die Regelung in § 6 Abs. 1 Satz 1 des Entgelt-Rahmentarifvertrages der Beton- und Fertigteilindustrie NRW an. Danach wird eine Zulage von 10 % des Tarifentgelts der maßgeblichen Entgeltgruppe nur an die Arbeitnehmer gezahlt, die vom Arbeitgeber zum Vorarbeiter „ausdrücklich” bestellt bzw. für die Dauer der Abwesenheit eines Vorarbeiters zur Vertretung bestimmt sind. Diese Regelung betrifft nur den Entgeltanspruch nach § 611 Abs. 1 BGB, aber nicht den Inhalt der geschuldeten Tätigkeit.

 

Normenkette

BGB § 611 Abs. 1; GewO § 106 S. 1; Entgelt-Rahmentarifvertrag der Beton- und Fertigteileindustrie § 6 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Oberhausen (Urteil vom 02.12.2010; Aktenzeichen 4 Ca 1277/10)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 02.12.2010 – 4 Ca 1277/10 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger, wenn in der Produktion im Zweischichtbetrieb gearbeitet wird, in wöchentlichem Wechsel mit dem Mitarbeiter H. oder einem anderen Mitarbeiter als Vorarbeiter zu beschäftigten. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Parteien je zur Hälfte.

Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger weiterhin als Vorarbeiter einzusetzen.

Der Kläger war zunächst seit dem 08.05.2001 aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrages bei der Beklagten, die in der Fertigung von Betonprodukten sowie deren Verkauf und Lieferung tätig ist, als Gabelstaplerfahrer tätig. Die Parteien schlossen unter dem 26.06.2002 einen unbefristeten Arbeitsvertrag, nach dessen Ziffer 1 der Kläger ab dem 01.07.2002 als Staplerfahrer eingestellt wurde. Sein Stundenlohn belief sich zuletzt auf 15,24 EUR brutto. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet u. a. der Entgelt-Rahmentarifvertrag für die Beschäftigten in der Beton- und Fertigteilindustrie NRW Anwendung.

Der Kläger, der Mitglied des Betriebsrats ist, ist als Gabelstaplerfahrer in der Abteilung „Verladung und Kommissionierung” beschäftigt. Dort sind neben dem Meister X. insgesamt zehn Arbeitnehmer tätig. Der Kläger wurde in dieser Abteilung bis Mitte Mai 2010 zusätzlich als Vorarbeiter eingesetzt. Der Meister X. ist nur in der Frühschicht, nicht aber in der Mittagsschicht tätig. Er ist zudem nicht donnerstags anwesend. Die Vorarbeiterfunktion fällt in der Mittagsschicht sowie bei krankheits- oder urlaubsbedingter Abwesenheit des Meisters X. in der Frühschicht sowie donnerstags in der Frühschicht an.

Neben dem Kläger wurde auch der Mitarbeiter H. als Vorarbeiter eingesetzt. Der Mitarbeiter W. wurde für den Fall, dass einer der Vorarbeiter urlaubs- oder krankheitsbedingt verhindert ist, als stellvertretender Vorarbeiter eingesetzt. Für die zusätzliche Vorarbeitertätigkeit erhielt der Kläger eine Funktionszulage zum Stundenlohn in Höhe von 1,41 EUR brutto. Im September 2009 erkrankte er. Seine Arbeitsunfähigkeit dauerte bis Anfang April 2010.

Mitte Mai 2010 teilte Herr X. dem Kläger mit, dass er künftig nur noch als Staplerfahrer eingesetzt werde. Seit diesem Zeitpunkt nimmt der Arbeitnehmer X. neben dem Mitarbeiter H. die Vorarbeiterfunktion in dem Arbeitsbereich „Verladung und Kommissionierung” wahr. Der Mitarbeiter W. ist weiterhin als stellvertretender Vorarbeiter tätig.

Mit seiner beim Arbeitsgericht Oberhausen am 29.07.2010 eingereichten und der Beklagten am 02.08.2010 zugestellten Klage hat der Kläger zunächst von der Beklagten die Beschäftigung als Vorarbeiter während 50 % seiner Arbeitszeit begehrt.

Der Kläger hat im Wesentlichen geltend gemacht:

Er habe einen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihn in der Mittagsschicht zu 50 % seiner Arbeitszeit als Vorarbeiter einsetze. Es sei in den vergangenen Jahren mit Ausnahme von Urlaub oder Kurzarbeit so gewesen, dass er mindestens 50 % seiner Arbeitszeit als Vorarbeiter gearbeitet und eine entsprechende Zulage erhalten habe.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihn während 50 % seiner Arbeitszeit als Vorarbeiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat im Wesentlichen ausgeführt:

Der Kläger habe keinen Anspruch darauf, als Vorarbeiter eingesetzt zu werden. Er werde bei der Einteilung der Schichtpläne für die zweite Schicht nicht mehr berücksichtigt, weil insbesondere die Zusammenarbeit mit dem Produktionsleiter L. nicht einwandfrei und reibungslos funktioniere. Da der Vorarbeitervertreter aber gerade der erste Ansprechpartner für die Produktionsleitung sein solle, sei es nach Überzeugung der Geschäftsleitung erforderlich, den Kläger ausschließlich als Gabelstaplerfahrer...

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