Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifzuständigkeit. Schiedsverfahren. Interims-Entscheidung. Wahlrecht des Arbeitgebers. Satzungsautonomie
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Anrufung der Schiedsstelle nach § 16 DGB-Satzung ist keine Prozessvoraussetzung für ein Verfahren nach § 97 ArbGG, denn die Schiedsstelle ist kein Schiedsgericht im Sinne von §§ 1025 ff. ZPO.
2. Die Tarifzuständigkeit einer Gewerkschaft richtet sich grundsätzlich nach dem in ihrer Satzung festgelegten Organisationsbereich. Sie kann selbst entscheiden für welche Arbeitnehmer in welchen Wirtschaftsbereichen sie tätig werden will.
3. Bis zur verbindlichen Klärung der Tarifzuständigkeit im Wege der Durchführung des Verfahrens nach § 16 DGB-Satzung ist eine gerichtliche Interims-Entscheidung zu treffen. Ein Wahlrecht des Arbeitgebers besteht insoweit nicht.
Normenkette
ArbGG § 97; ZPO § 1025 ff.; DGB-Satzung § 16
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Beschluss vom 04.02.2005; Aktenzeichen 2 BV 6/03) |
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 04. Februar 2005 –2 BV 6/03– wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten im Beschwerdeverfahren darum, ob die Beteiligte zu 1) für die Beteiligte zu 3) tarifzuständig ist.
Beteiligte zu 1) ist die Gewerkschaft V., Beteiligte zu 7 ist die IG B.
Die Beteiligte zu 3) ist eine ausschließlich für das Krankenhaus R. tätige Organgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH, deren Anteile zu 51 % von dem Krankenhaus R. und zu 49 % von der Z. GmbH gehalten werden. Die Beteiligte zu 3) wurde zum 1. Januar 2001 gegründet und ist in die Handwerksrolle für das Gebäudereiniger-Handwerk eingetragen. Gegenstand der Beteiligten zu 3) ist die Durchführung von Dienstleistungstätigkeiten für das Krankenhaus R. wie folgt:
- Reinigungstätigkeiten aller Art sowie die Tätigkeit des klinischen Hauspersonals, der allgemeinen hauswirtschaftlichen Tätigkeiten, des Hol- und Bringdienstes, des Transportdienstes, der Wäscherei und Wäscheversorgung, der Zentral-Sterilisation, Betten-Sterilisation, Sterilgut-Transport sowie sonstige Dienstleistungen, die nicht unmittelbar der Patientenversorgung dienen;
- Erbringung von Facility Managementdienstleistungen, d.h. die Organisation, Koordination und Erbringung von Dienstleistungen, die für die Erhaltung und Nutzung von Grundstücken nebst darauf stehenden Gebäuden und ihren Räumlichkeiten sowie den zugehörigen Maschinen und Anlagen zweckdienlich sind, einschließlich Bewachungs-, Pfortendienste und ähnliche Leistungen.
Der Beteiligte zu 2) ist der bei der Beteiligten zu 3) gewählte Betriebsrat.
Seit dem 1. Januar 1998 übertrug das Krankenhaus R. zunächst sukzessive diverse Dienstleistungstätigkeiten, und zwar Reinigungsarbeiten, Arbeiten im Rahmen der innerbetrieblichen Transport-Logistik und den Pforten-, Telefon- und Sicherheitsdienst auf die Z. GmbH, die auf der Grundlage abgeschlossener Werk- und Dienstverträge tätig wurde. Die Z. GmbH betätigt sich am Markt als Gebäudereinigungsunternehmen. Sie übernahm im Zuge der Aufgabenübertragung auf sie zwei Beschäftigte, die vorher beim Krankenhaus R. angestellt waren.
Die Beteiligte zu 3) übernahm nach ihrer Gründung die mit der Z. GmbH abgeschlossenen Werk- und Dienstleistungsverträge. Sie übernahm auch Beschäftigte der Z. GmbH, die der Leistungserbringung für das Krankenhaus R. zugeordnet waren. Grund für die Gründung der Beteiligten zu 3) war, dass das Krankenhaus R. wieder mehr direkten Einfluss auf die übertragenen Tätigkeiten ausüben wollte.
Bei der Beteiligten zu 3) sind Mitarbeiter wie folgt tätig: 37 Beschäftigte in der Gebäude-, Unterhalts- und Glasreinigung, 9 Beschäftigte im Hol- und Bringdienst, 2 Beschäftigte in der Betten-Desinfektion und 10 Beschäftigte im Bereich Pforte und Telefon. Den einzelnen Gewerken sind folgende monatliche Arbeitszeitvolumina zuzuordnen: 4.658 Stunden Reinigung, 1.088 Stunden Transportdienste, 346 Stunden Betten-Desinfektion und 1.574 Stunden Telefon- und Pfortendienste.
Die Satzungsbestimmungen der beteiligten Gewerkschaften für den Organisationsbereich sehen wie folgt aus:
In der Satzung der Beteiligten zu 7) heißt es:
„§ 2 Organisationsbereich
1. Die IG B. ist zuständig für folgende Wirtschafts- und Verwaltungszweige:
…
Gebäude-Management
…
2. Näheres bestimmt der Organisationskatalog.”
Im Organisationskatalog der Beteiligten zu 7) heißt es:
„1. Der Organisationsbereich der IG B. umfasst alle selbstständigen Betriebsabteilungen bzw. Nebenbetriebe anderer Unternehmen, …, wenn sie in den fachlichen Organisationsbereich fallen …
2. Die nachfolgenden Bereiche umfassen u.a.:
…
e)
- Gebäude-Management
- Wohnungswirtschaft
- Gebäude-, Industrie- und Städtereinigung,
- Facility-Management”
In der Satzung der Beteiligten zu 1) heißt es:
„§ 4 Organisationsbereich
2. Der Organisationsbereich der V. umfasst Unternehmen, Betriebe, Einrichtungen und Verwaltungen der im Anhang 1 abschließend aufgeführt...