Entscheidungsstichwort (Thema)
Freistellung von Schulungskosten. Schulungsveranstaltung nach § 37 Abs. 6 BetrVG. Spezialschulung zum Beschäftigtendatenschutzgesetz, zu datenschutzrechtlichen Problemen und zu neuen Technologien. Freistellung von Schulungskosten für Spezialschulung zum Beschäftigtendatenschutzgesetz und zu neuen Techniktrends bei Großveranstaltung mit mehreren Arbeitsgruppen
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Konferenz für Betriebsräte zu den Themen "Neues Beschäftigtendatenschutzgesetz" und "neue Techniktrends" mit mehr als 72 Teilnehmern kann als Schulungsveranstaltung im Sinne von § 37 Abs. 6 BetrVG angesehen werden, wenn durch sog. Workshops noch eine individuelle Beziehung zwischen Lehrpersonen und Teilnehmenden möglich gewesen ist und sich die Veranstaltung nicht nur auf einen Erfahrungsaustausch der Teilnehmer beschränkt, sondern auch dazu gedient hat, einen bestimmten Wissensstand bei den Teilnehmern herbeizuführen.
2. Für eine Spezialschulung zu den Themen "Neues Beschäftigtendatenschutzgesetz" und "neue Techniktrends" muss ein konkreter, aktueller betriebsbezogener Anlass vorgelegen haben. Insoweit ist auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung durch den Betriebsrat abzustellen.
Normenkette
BetrVG § 40 Abs. 1, § 37 Abs. 6; ArbGG §§ 2 a, 80 Abs. 1, § 81; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 6
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 12.09.2011; Aktenzeichen 22 BV 5/11) |
Tenor
Der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 12. September 2011 - 22 BV 5/11 - wird abgeändert:
Der Arbeitgeber wird verpflichtet, das Betriebsratsmitglied A. D. wegen des Besuchs des Seminars zum Thema "Was bringt uns das neue Beschäftigtendatenschutzgesetz? Welche Technik-Trends zeichnen sich ab?" vom 01.-02. Dezember 2010 in G. von den Schulungskosten in Höhe von EUR 802,50 gegenüber dem Schulungsträger V. freizustellen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Freistellung von Schulungskosten.
Der Antragsteller ist der beim Arbeitgeber, einer ...-Gesellschaft, gewählte Betriebsrat für den Standort Hamburg. Der Beteiligte zu 3) ist seit Mitte 2010 Betriebsratsmitglied des Antragstellers und ausgebildeter Wirtschaftsinformatiker. Er ist im Jahr 2005 nach Hamburg gekommen; vorher war er bei der L. tätig und auch dort gewähltes Betriebsratsmitglied. Bei der L. hat der Beteiligte zu 3) die üblichen Standardseminare absolviert, d.h. Arbeitsrecht 1) und 2) und Betriebsverfassungsrecht 1) und 2); vor dem Jahr 2005 hat er ferner an einer Schulung über Wirtschaftsausschussangelegenheiten teilgenommen. Der Beteiligte zu 3) ist außerdem der Vorsitzende des örtlichen EDV-Ausschusses sowie des Gesamt- und des Konzern-EDV-Ausschusses beim Arbeitgeber.
Der Beteiligte zu 3) nahm am 19. August 2010 an einer betriebsinternen Datenschutzschulung für die Betriebsräte des Gesamt-EDV-Ausschusses durch den Datenschutzbeauftragten des Arbeitgebers teil. Das Thema Datenschutz im Beschäftigungsverhältnis wurde ausweislich der vom Datenschutzbeauftragten erstellten Präsentation auf den Seiten 30-33 behandelt; das Thema Videoüberwachung auf der Seite 29; wegen der Einzelheiten der Datenschutzschulung wird auf die als Anlage B 5 überreichte Präsentation, die insgesamt 54 Folien umfasst, Bezug genommen.
Auf seiner Sitzung vom 05. Oktober 2010 beschloss der Betriebsrat den Beteiligten zu 3) vom 01. bis 02. Dezember 2010 auf eine Konferenz für Betriebs- und Personalräte des Veranstalters V. in G. mit dem Thema "Was bringt uns das neue Beschäftigtendatenschutzgesetz? Welche Technik-Trends zeichnen sich ab?" zu entsenden; wegen der weiteren Einzelheiten der Ladung zur vorgenannten Sitzung und der Beschlussfassung des Betriebsrats wird auf die Anlage BB1 Bezug genommen.
Ausweislich des Tagungsprogramms sind auf der Konferenz am 01. Dezember 2010 folgende Themen angeboten worden:
1. Das neue Gesetz zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes - Referentin: Prof. Dr. Hertha Däubler-Gmelin, Rechtsanwältin, Bundesjustizministerin a.D. - Dauer: 30 Minuten
2. Wären uns damit die Datenskandale der Vergangenheit erspart geblieben? - Referent: Prof. Dr. Peter Wedde, Direktor der europäischen Akademie der Arbeit in der Universität Frankfurt am Main - Dauer: 30 Minuten
3. Sichtweisen: Hält das Gesetz, was es verspricht? - Podiumsdiskussion mit Dr. Thomas Petri, Martina Perreng, Roland Wolf, Prof. Dr. Hertha Däubler-Gmelin, Prof. Dr. Peter Wedde - Dauer: 75 Minuten
4. Was die Technik an Kontrolle möglich macht - Referenten: Gerrit Wiegand, Jens Mösinger, mains IT-Service GmbH - Dauer: 75 Minuten
5. Hilft das Beschäftigtendatenschutzgesetz im Hinblick auf technische Kontrollmöglichkeiten? - Referent: Prof. Dr. Peter Wedde - Dauer: 45 Minuten
6. Grenzenloses Arbeiten - Digital, vernetzt, jederzeit mobil und flexibel - Referent: Dr. Andreas Boes - Dauer: 30 Minuten
7. Sichtweisen: Dialog der Teilnehmer/-innen im World Café - Dauer 30 Minuten
8. Abschlussrunde: Fragen aus dem World Café an die Referenten - Dauer 60 Min...