Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Beschluss vom 07.11.1985; Aktenzeichen 1 GaBv 8/85)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Hamburg – 1 GaBv 8/85 – vom 7. November 1985 wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird in entsprechender Anwendung des § 543 Abs. 1 ZPO Abstand genommen; insoweit wird auf die Gründe unter Ziffer I des Beschlusses des Arbeitsgerichts Hamburg – 1 GaBv 8/85 vom 7. November 1985 (Bl. 97 f. d.A.) Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Hamburg – 1 GaBv 8/85 – vom 7. November 1985 ist zwar zulässig; sie ist jedoch unbegründet.

1. Die Zulässigkeit des Antrages folgt aus § 85 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit §§ 935, 940 ZPO.

§ 85 Abs. 2 ArbGG bezeichnet die einstweilige Verfügung ausdrücklich auch im Beschlußverfahren als zulässig. Sie kommt gerade zur Sicherung der betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmung des Betriebsrats in Betracht bzw. zur Abwendung wesentlicher Nachteile, die dem Betriebsrat durch tatsächlichen Verlust eines Mitwirkungsrechtes bei dessen Nichtbeachtung seitens des Arbeitgebers drohen (§§ 935, 940 ZPO).

2. Der Beteiligte zu 1) begehrt nur eine vorläufige und zeitlich begrenzte Regelung einer Angelegenheit, so daß auch vom Zweck einer einstweiligen Verfügung keine durchgreifenden Bedenken gegen deren Zulässigkeit bestehen.

Allerdings führt der Erlaß einer einstweiligen Verfügung im vorliegenden Fall dazu, daß die Beteiligte zu 2) für eine bestimmte und beschränkte Zeit verhindert ist, ein ihr sonst zustehendes Recht (hier die. Einführung des EDV-Systems) auszuüben. Dies muß jedoch in Kauf genommen werden, weil anders und im besonderen mit den Bestimmungen der §§ 99 f, 102, 111, 112 und 113 Abs. 3 BetrVG ein ausreichender Rechtschutz für den Beteiligten zu 1) hinsichtlich seines Rechts auf Verhandlungen über einen Interessenausgleich nicht gewährleistet werden kann.

Die einstweilige Verfügung wird auch nicht deshalb unzulässig, weil § 113 Abs. 3 BetrVG dem einzelnen betroffenen Arbeitnehmer einen Abfindungsanspruch zuerkennt, wenn der Arbeitgeber eine geplante Betriebsänderung durchführt, ohne einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat abschließend versucht zu haben. § 113 Abs. 3 BetrVG enthält lediglich eine Sanktion zugunsten der von der Kündigung betroffenen Arbeitnehmer, nicht aber des Betriebsrats, der seiner Mitwirkungsmöglichkeit nach §§ 111, 112 BetrVG beraubt wird.

3. Der Antragsteller hat den erforderlichen Verfügungsanspruch, bis das Verfahren, der Verhandlungen über einer Interessenausgleich nach § 112 Abs. 2 BetrVG abgeschlossen und gescheitert ist, und zwar unter Einschluß einer zwingend durchzuführenden Einigungsstellenverhandlung bei fehlender Einigung zwischen den Beteiligten (BAG in DB 1985, S. 1239).

Bei der Einführung des EDV-Systems im Rahmen des Projektes 9001 handelt es sich um eine Betriebsänderung gemäß § 111 Ziff. 4 u. 5 BetrVG durch grundlegende Änderungen der Betriebsanlagen und die Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden. Diese Auffassung vertritt unstreitig auch die Beteiligte zu 2). Die Umstellung des gesamten Vertriebes von bisher manueller Tätigkeit zu maschineller Tätigkeit einschließlich der Übermittlung der Daten stellt, eine Betriebsänderung im genannten Sinne dar (vgl. auch Däubler in DB 1985, S. 2297, 2298).

Das Beschwerdegericht folgt vollen Umfanges den weiteren Ausführungen des Arbeitsgerichts in seinem Beschluß ab Seite 7 f..

Es ist in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anerkannt, daß der Betriebsrat aus §§ 111, 112 BetrVG bei geplanten Betriebsänderungen einen Anspruch auf Aufnahme von Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zwecks Abschlusses eines Interessenausgleiches hat und daß das in §§ 111, 112 BetrVG vorgesehene Verfahren einschließlich des Versuches eines Interessenausgleichs noch in einem Zeitpunkt abgewickelt werden muß, in dem die geplante Betriebsänderung noch nicht, auch nicht teilweise, verwirklicht worden ist (vgl. BAG in DB 1977, S. 309).

Das hier gegebene Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats verpflichtet den Arbeitgeber, zunächst den Interessenausgleich mit dem Betriebsrat zu suchen. Erst dann kann der Arbeitgeber die geplante Maßnahme durchführen (vgl. LAG Hamburg – 6 TaBv 9/81 – vom 13.11.81 in DB 1982, S. 1522). Die Tatsache, daß es sich bei der damaligen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts um beabsichtigte Betriebsänderungen mit den Zielen von Kündigungen handelte, ändert im Gegensatz zur Auffassung der Beteiligten zu 2) nichts, denn jede Betriebsänderung, also auch nach Ziffer 4 u. 5 des § 111 BetrVG, enthält Gegenstände des Mitbestimmungsrechts, d.h., die Betriebsänderung darf so lange nicht durchgeführt werden, solange das Verfahren über den Interessenausgleich nicht stattgefunden hat.

Dieser Sachlage kann lediglich durch einen vorläufigen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats Rechnung getragen werden. Die Beteiligte zu 2) will die Betriebsänderung bereit...

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