Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwert bei einseitiger Vertragsänderung durch den Arbeitgeber. Gegenstandswert
Leitsatz (amtlich)
Der Gegenstandswert bei einseitigen Eingriffen des Arbeitgebers in das Vertragsverhältnis beträgt nach § 12 VII 2 ArbGG das 36fache der Monatsdifferenz zwischen der vom Arbeitgeber zugestandenen und der vom Arbeitnehmer verlangten Leistung.
§ 12 VII 1 ArbGG ist auf Fälle der einseitigen Vertragsänderung nicht analog anwendbar.
Normenkette
ArbGG § 12 Abs. 7 Sätze 1-2
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Beschluss vom 07.02.2003; Aktenzeichen 8 Ca 654/02) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 7. 2. 2003 (8 Ca 654/02) abgeändert. Der Gegenstandswert für das Verfahren wird auf EUR 5.857, 80 festgesetzt.
Tatbestand
I. Der Kläger ist seit 1995 bei der Beklagten als Gebäudereiniger beschäftigt. Seine wöchentliche Arbeitszeit beträgt 40 Stunden, die Vergütung zuletzt EUR 7, 51 pro Stunde zuzüglich einer Prämie in Höhe von EUR 150,– pro Monat. Mit Schreiben vom 15. 11. 2002 reduzierte die Beklagte einseitig die wöchentliche Arbeitszeit von 40 auf 35 Stunden pro Woche. Dagegen erhob der Kläger am 19. 12. 2002 Klage vor dem Arbeitsgericht mit den Anträgen festzustellen, dass die Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit unwirksam sei und den Kläger zu den bisherigen Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen. Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 9. 1. 2003 den Anspruch des Klägers anerkannt hatte, nahm der Kläger seine Klage zurück.
Mit Beschluss vom 7. 2. 2003 setzte das Arbeitsgericht den Gegenstandswert für die Klage auf EUR 488, 15 fest, wobei es den streitigen Umfang der Beschäftigungspflicht (5 Wochenstunden zu EUR 7, 51) für 3 Monate (13 Wochen) zugrunde legte. Gegen diesen Beschluss hat der Kläger am 20. 2. 2003 Beschwerde eingelegt.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist gem. § 25 III GKG i. V. m. § 9 II BRAGO zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 25 III 1 i. V. m. § 5 III sowie § 25 III 3 GKG). Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
1) Gem. § 12 VII 2 ArbGG ist bei Rechtsstreitigkeiten über wiederkehrende Leistungen der Wert des dreijährigen Bezugs zugrunde zu legen. Da die Parteien im Ausgangsrechtsstreit um den Umfang des Beschäftigungsanspruchs des Klägers stritten, ist diese Vorschrift anwendbar. Der Gegenstandswert errechnet sich folglich aus dem auf 36 Monate, bzw. 156 Wochen hochgerechneten Betrag von 5 × EUR 7, 51 = EUR 37, 55 und beträgt somit EUR 5.857, 80.
2) Die vom Arbeitsgericht vertretene Reduzierung des Gegenstandswertes würde eine analoge Anwendung der dem Wortlaut nach nur für Bestandsstreitigkeiten geltenden Regelung von § 12 VII 1 ArbGG auf Streitigkeiten über wiederkehrende Leistung voraussetzen. Zusätzlich müsste als Obergrenze nicht das für ein Vierteljahr zu leistende Arbeitsentgelt, sondern lediglich der in diesem Zeitraum anfallende Unterschiedsbetrag maßgeblich sein.
Die analoge Anwendung einer Rechtsnorm kommt dann in Betracht, wenn zur Ausfüllung einer planwidrigen Lücke die Übertragung der Rechtsfolge eines gesetzlichen Tatbestands auf einen vergleichbaren, aber im Gesetz nicht geregelten Tatbestand erforderlich ist (vgl. BAG, Urt. v. 11. 7. 2000 – 1 ABR 32/89 – BAGE 95, 240 = NZA 01, 516; Urt. v. 21. 7. 1993 – 7 ABR 25/92 – BAGE 73, 378, 382f = MDR 94, 1044). Voraussetzungen wäre also die Feststellung einer planwidrigen Gesetzeslücke einerseits und einer Rechtsähnlichkeit zwischen dem gesetzlich geregelten und dem nicht geregelten Tatbestand andererseits.
Das BAG wendet § 12 VII 1 ArbGG analog an bei Änderungskündigungen (vgl. BAG, Urt. v. 23. 3. 1989 – 7 AZR 527/85 – AP Nr. 1 zu § 17 GKG 1975). Dem folgt das LAG Hamburg in st. Rspr. gefolgt (vgl. Bes. v. 2. 6. 1998 – 4 Ta 8/98 – BB 98, 1695; Bes. v. 28. 10. 1996 – 4 Ta 18/96 – JurBüro 97, 593; ebenso: LAG Köln v. 19. 8. 1999 – 13 Ta 252/99 – NZA-RR 00, 662; Koch in ErfK 3. Aufl. 2003, § 12 ArbGG Rz 18). Diese analoge Anwendung ist gerechtfertigt, weil es bei einer Änderungskündigung zumindest im Ausgangspunkt auch um den Bestand des Arbeitsverhältnisses geht.
Enthält der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer durch einseitige Maßnahmen bestimmte Ansprüche vor, so ist nach Auffassung der Kammer eine analoge Anwendung von § 12 VII 1 ArbGG nicht gerechtfertigt. Allein der Umstand, dass der Arbeitgeber zur Durchsetzung seines Anliegens auch das Mittel der Änderungskündigung hätte wählen können, trägt die entsprechende Anwendung von § 12 VIII 1 ArbGG nicht. Es bestehen bereits erhebliche Zweifel am Vorliegen einer Regelungslücke, da Streitigkeiten über wiederkehrende Leistungen in § 12 VII 2 ArbGG ausdrücklich geregelt sind. Der Wortlaut der Norm bietet keinen Anhaltspunkt dafür, § 12 VII ArbGG so auszulegen, dass die Obergrenze des Satz 1 stets zu beachten ist und Satz 2 bei Streitigkeiten um wiederkehrende Leistungen eine zusätzliche Grenze beinhaltet. Hätte der Gesetzgeber eine solche Regelung gewollt, hätte es nahe gelegen, in Satz 1 di...