Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Zurechnung von Anwaltsverschulden bei Wahrung Klagefrist des KSchG
Leitsatz (amtlich)
Ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten ist dem Arbeitnehmer im Rahmen von § 5 KSchG nicht zuzurechnen; § 85 II ZPO findet keine Anwendung.
Hat der Arbeitnehmer bei Einschaltung seines Prozessbevollmächtigten bereits entschieden, sich in jedem Fall gegen die Kündigung zu wehren, so bedarf es vor Ablauf der Klagefrist (§ 4 KSchG bzw. § 24 KSchG) keiner anwaltlichen Beratung mehr. Dass ein Beratungsgespräch innerhalb der Klagefrist nicht möglich ist, schließt in diesem Fall ein Verschulden des Arbeitnehmers an der Einhaltung der Klagefrist nicht aus.
Normenkette
KSchG §§ 5, 4, 24; ZPO § 85 Abs. 2
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 2. 3. 2004 (S 1 Ca 416/03) wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Tatbestand
I. Der Kläger war als „Decksmann” bei der Beklagten beschäftigt. Er begehrt die nachträgliche Zulassung seiner am 18. 8. 2003 beim Arbeitsgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage, mit der er sich gegen eine ihm am 26. 5. 2003 zugegangene Kündigung wehrt. Im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung sowie zumindest am Montag, 23. 6. 2003 bis 11:08 sowie am Freitag, dem 4. 7. 2003 lag das Schiff, auf dem der Kläger tätig war, in einem deutschen Hafen.
Entscheidungsgründe
II. Die sofortige Beschwerde ist gem. §§ 5 IV 2 KSchG, 78 ArbGG, 569 ZPO zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden. In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg, denn das Arbeitsgericht hat die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage zu Recht abgelehnt.
1. Das Arbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die der 6-wöchigen Klagefrist des § 24 III 1 Var. 2 KSchG mit Zugang des Kündigung begann, da der Zugang nicht während der Fahrt des Schiffes erfolgte, sondern während sich dieses in einem deutschen Hafen (Duisburg-Walsum) befand. Ob der dortige Aufenthalt so lange dauerte, dass bereits zum damaligen Zeitpunkt die Möglichkeit bestand, die Erhebung der Kündigungsschutzklage zu veranlassen, ist für den Fristbeginn ohne Belang.
2. Das Arbeitsgericht ist weiterhin zutreffend davon ausgegangen, dass die Versäumung der Frist auf einem eigenen Verschulden des Klägers und nicht auf einem Verschulden seines Prozessbevollmächtigten beruht, dessen Zurechnung gemäß § 85 II ZPO nach ständiger Rechtsprechung des LAG Hamburg (Bes. v. 24. 1. 1997 – 4 Ta 29/96 – LAGE § 5 KSchG Nr. 85; Bes. v. 20. 9. 1977 – 1 Ta 6/77 – NJW 78, 446; ebenso: LAG Frankfurt v. 2. 12. 2002 – 15 Ta 254/02 – n. v.; LAG Hamm v. 27. 1. 1994 – 8 Ta 274/93 – NZA 94, 909) ausgeschlossen wäre.
a) Der dem Kläger erteilte Rechtsrat, dass im Zeitpunkt des Telefonats am 26. 5. 2003 noch keine Kündigungsschutzklage erhoben werden musste, war richtig. Herr M. hat dem Kläger nach der Darstellung im Schriftsatz vom 15. 9. 2003 nicht etwa – was falsch gewesen wäre – mitgeteilt, er könne mit der Erhebung der Klage warten, bis er wieder in Hamburg sei. Er hat die Kläger vielmehr gebeten, beim nächsten Landgang das Kündigungsschreiben an die Abteilung Seeschifffahrt zu faxen. Dieser Rat war zutreffend, weil die Kenntnis des Kündigungsschreibens für die Klageerhebung sinnvoll ist.
b) Die Möglichkeit, das Kündigungsschreiben an seine Prozessbevollmächtigten zu übermitteln, hatte der Kläger spätestens am Montag, dem 23. 6. 2003, als das Schiff nach Angaben des Klägers bis 11:08 in Duisburg vor Anker lag. Die pauschale Behauptung des Klägers, er sei stets zur Arbeit eingeteilt gewesen, hat das Arbeitsgericht zu Recht als unerheblich gewertet, weil sie nicht erkennen lässt, weshalb es dem Kläger nicht möglich gewesen sein soll, das Schiff kurzfristig zur Erledigung seiner eigenen Angelegenheit zu verlassen. Dabei wird zu Gunsten des Klägers bereits unterstellt, dass an den Wochenenden, an denen das Schiff in Duisburg vor Anker lag, keine Möglichkeit bestand, ein Faxgerät zu verwenden.
Ob eine schuldhafte Versäumung der Klagefrist grundsätzlich ausgeschlossen ist, solange der Arbeitnehmer nicht in der Lage war, zum konkreten Sachverhalt Rechtsrat einzuholen, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Der Kläger hat nämlich in seinem Schriftsatz vom 15. 9. 2003 selbst ausgeführt, dass er bereits am Tage des Zugangs der Kündigung entschlossen gewesen sei, Klage zu erheben (Seite 2 des Schriftsatzes, letzter Absatz). Einer rechtlichen Beratung zur Entscheidung dieser Frage bedurfte es im vorliegenden Fall somit nicht. Ein ggf. notwendiges Gespräch zwischen dem Kläger und seinem Prozessbevollmächtigten zur Begründung der Klage war demgegenüber nicht zeitkritisch.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Sonstiger Langtext
Fundstellen