Entscheidungsstichwort (Thema)
nachträgliche Klagezulassung. Verschulden. Zurechnung. DGB-Rechtsschutz. Einzelgewerkschaft
Leitsatz (amtlich)
Nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage:
Der Arbeitnehmer muss sich im Rahmen des § 5 Abs. 1 KSchG nicht in entsprechender Anwendung von § 85 Abs. 2 ZPO das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen.
Dies gilt auch für Verschulden einer Einzelgewerkschaft bei Prozessvollmacht für die DGB-Rechtsschutz GmbH oder Verschulden der DGB-Rechtsschutz GmbH selbst.
Auch für die Frage der Einhaltung der Zweiwochenfrist des § 5 Abs. 3 S. 1 KSchG findet keine Zurechnung von Vertreterverschulden statt.
Normenkette
ZPO § 85 Abs. 2; KSchG § 5 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Beschluss vom 28.10.2004; Aktenzeichen 10 Ca 295/04) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 28. Oktober 2004 – 10 Ca 295/04 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.
Tatbestand
I. Der 1946 geborene Kläger ist seit dem 21. April 1982 bei der Beklagten, der Firma „E. GmbH”, zuletzt mit einem monatlichen Bruttoentgelt von EUR 2.300 bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung.
Mit Schreiben vom 11. Mai 2004, dem Kläger am 14. Mai 2004 zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos und hilfsweise fristgemäß (Anlage K 1, Bl. 6 f d.A.) Das Kündigungsschreiben trägt im Kopf und in der Unterschrift als Firma die Bezeichnung „S. GmbH” und ist auf dem Briefpapier dieser Firma geschrieben.
Der Kläger begab sich unverzüglich, nämlich unter dem 14. Mai 2004, mit dem Kündigungsschreiben zu der ihn vertretenden Gewerkschaft V., um sich Rechtsauskunft einzuholen. Ihm wurde erklärt, dass die Gewerkschaft Kündigungsschutzklage erheben werde. Von der Gewerkschaft wurde danach, ausweislich des Stempels am 18. Mai 2004, ein Rechtsschutzbogen ausgefüllt und dort die Firma „S. GmbH” als kündigende Firma und Arbeitgeberin eingetragen (Anl. K. 2, Bl. 8 d.A.).
Durch die D. GmbH wurde alsdann Kündigungsschutzklage gegen die Firma „S. GmbH” erhoben, und zwar vor dem Arbeitsgericht Lübeck, da diese Firma ihren Sitz in G. hat. Während des dort stattfindenden Gütetermins am 11. Juni 2004, an dem der Kläger persönlich teilnahm, machte die Firma „S. GmbH” geltend, dass eine falsche Firma verklagt worden sei und dass dem Geschäftsführer der Firma „S. GmbH” Generalvollmacht erteilt worden sei, die Mitarbeiter der Beklagten, der Firma „E. GmbH”, zu vertreten. Die Firma „S. GmbH” hatte bereits mit Schriftsatz an das Arbeitsgericht Lübeck vom 02. Juni 2004 (Anlage B 1, Bl. 20 ff d.A.) auf ihre fehlende Passivlegitimation hingewiesen. Unstreitig ging dieser Schriftsatz den Prozessbevollmächtigten des Klägers bei der D. GmbH bereits am 04. Juni 2004 zu.
Der Kläger hat nach dem Gütetermin am 11. Juni 2004 daraufhin im vorliegenden Verfahren unter dem 22. Juni 2004, beim Arbeitsgericht Hamburg am selben Tag eingegangen, gegen die am 11. Mai 2004 ausgesprochene Kündigung Klage gegen die Arbeitgeberin, die Firma „E. GmbH” erhoben und zugleich beantragt, die Klage nachträglich zuzulassen.
Der Kläger hat vorgetragen, die Kündigungsschutzklage sei nachträglich zuzulassen, da er alles Erforderliche unternommen habe, damit die Klage innerhalb der notwendigen Zeit erhoben werde. Es liege hier ein Verschulden seiner Bevollmächtigten vor, welches ihm nicht anzulasten sei.
Die Beklagte hat vorgetragen, der Kläger habe bereits die Frist gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG nicht eingehalten. Ihr Schriftsatz vom 02. Juni 2004 sei dem Kläger beziehungsweise seinen Prozessbevollmächtigten bereits am 04. Juni 2004 zugegangen. Der Kläger müsse sich außerdem das Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen. Bei Anwendung der für einen Bevollmächtigten zu erwartenden Sorgfalt sei erkennbar gewesen, dass die Kündigung zwar auf einem Briefkopf der Firma „S. GmbH” gefertigt war, jedoch eindeutig und ausschließlich das Arbeitsverhältnis mit der Firma „E.R. GmbH” betroffen habe.
Das Arbeitsgericht Hamburg hat mit Beschluss vom 28. Oktober 2004 die Klage gemäß § 5 KSchG nachträglich zugelassen, da die Klage ohne Verschulden des Klägers verspätet eingereicht worden sei. Nach ständiger Rechtsprechung der Arbeitsgerichte Hamburg sei § 85 ZPO bei der Frage der nachträglichen Zulassung nicht anwendbar.
Mit der am 16. November 2004 eingelegten sofortigen Beschwerde gegen den am 02. November 2004 zugestellten Beschluss beantragt die Beklagte unter Aufhebung des arbeitsgerichtlichen Beschlusses die Zurückweisung des Antrages des Klägers auf nachträgliche Zulassung der Klage. Gerügt werde, dass das Arbeitsgericht nicht auf ihre Ausführungen eingegangen sei, worin nachgewiesen worden sei, dass der Kläger bzw. seine Prozessbevollmächtigten die gesetzlichen Vorgaben gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG nicht beachtet hätten. Die Verspätung ...