Entscheidungsstichwort (Thema)
Gegenstandswert. Vergleich. Freistellung. Sonderlösungsrecht
Leitsatz (amtlich)
1. Der Gegenstandswert für die Freistellung eines Arbeitnehmers, die länger als einen Monat dauert, ist pauschalierend in Höhe eines Monatsgehaltes des Arbeitnehmers festzusetzen.
2. Das in einem Vergleich vereinbarte Sonderlösungsrecht eines bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses unwiderruflich freigestellten Arbeitnehmers ist nicht werterhöhend zu berücksichtigen.
Normenkette
RVG § 33 Abs. 1; GKG 2004 § 42 Abs. 4 S. 1 Hs. 2
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Beschluss vom 01.11.2011; Aktenzeichen 28 Ca 259/11) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 1. November 2011 – 28 Ca 259/11 – teilweise abgeändert:
- Der Gegenstandswert für die Klage wird auf insgesamt EUR 8.750,00 festgesetzt.
- Der Wert des Vergleiches übersteigt den Wert der Hauptsache um EUR 9.540,00.
- Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
1. Die Beschwerde ist gemäß § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG zulässig. Sie ist insbesondere von einem Antragsberechtigten (§ 33 Abs. 2 Satz 2 RVG) form- und fristgerecht eingelegt worden.
2. Die Beschwerde ist auch teilweise begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet.
Das Arbeitsgericht hat in dem angefochtenen Beschluss den Mehrwert des Vergleiches vom 13. September 2011 zu Unrecht lediglich auf EUR 8.140,00 festgesetzt. Der Mehrwert beträgt nach Auffassung der Beschwerdekammer nämlich EUR 9.540,00. Dagegen vermag die Kammer der Auffassung des Beschwerdeführers, der Mehrwert des Vergleiches betrage EUR 13.290,00, nicht zu folgen.
a.) Das Arbeitsgericht hat für die Freistellung in Ziff. 3.2. des Vergleiches lediglich 25 % des Bruttoentgeltes des Freistellungszeitraums ab dem Zeitpunkt des Vergleichsbeschlusses berücksichtigt und nicht ein Bruttoentgelt von EUR 3.750,00. Die Beschwerdekammer, die in früheren Jahren ebenfalls diese Rechtsauffassung vertrat, hat mit Beschluss vom 13. Januar 2010 (7 Ta 27/09) ihre Auffassung aufgegeben und sich der von den übrigen Kammern des Landesarbeitsgerichts vertretenen Auffassung (vgl. Beschluss vom 29. Oktober 2010 – 4 Ta 13/09), dass der Gegenstandswert der Freistellung eines Arbeitnehmers, die länger als einen Monat dauert, pauschalierend in Höhe eines Monatsgehaltes des Arbeitnehmers festzusetzen ist, angeschlossen.
Dies ergibt sich daraus, dass die Freistellung das rechtliche Gegenstück zum Weiterbeschäftigungsanspruch darstellt. Mit der Freistellung werden die Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung einerseits wie auch der an sich bestehende Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers im gekündigten Arbeitsverhältnis aufgehoben. Würde ein Arbeitnehmer gegen eine einseitige Freistellung des Arbeitgebers seine Weiterbeschäftigung durchsetzen wollen, so wäre dies nach der herrschenden Meinung zur Bewertung des Weiterbeschäftigungsanspruchs mit einem Monatsgehalt zu bewerten. Dann kann der umgekehrte Fall, dass ein Recht auf eine Freistellung geltend gemacht wird, nicht geringer oder höher als mit einem Monatsgehalt bewertet werden.
Dies gilt auch, wenn es um den Verzicht auf den Beschäftigungsanspruch durch den Arbeitnehmer und den Verzicht auf das Direktionsrecht durch den Arbeitgeber im Rahmen einer Freistellungsvereinbarung geht.
Danach ist Ziff. 3.2. des Vergleiches mit einem Mehrwert von EUR 3.750,00, d. h. einem Bruttomonatsgehalt der Klägerin, zu bewerten.
b.) Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist das in Ziff. 3.3. des Vergleiches vereinbarte Sonderlösungsrecht dagegen vorliegend nicht werterhöhend zu berücksichtigen. Die Beschwerdekammer hat ihre mit Beschluss vom 10. April 2002 (7 Ta 8/02) vertretene Ansicht, dass das in einem Vergleich im Rahmen einer Freistellungsvereinbarung getroffene Sonderlösungsrecht, wenn es vom Arbeitnehmer für einen längeren Zeitraum als einen Monat vor dem im Vergleich geregelten Beendigungszeitpunkt ausgeübt werden könne, bei der Festsetzung des Gegenstandswertes stets werterhöhend in Höhe eines Bruttomonatsgehalts zu berücksichtigen sei, mit Beschluss vom 13. Januar 2010 (7 Ta 27/09) aufgegeben. Die Beschwerdekammer geht nunmehr davon aus, dass sich keine pauschale Aussage darüber treffen lässt, ob ein dem Arbeitnehmer während seiner Freistellung eingeräumtes Sonderkündigungsrecht bei der Wertfestsetzung eigenständig wertmäßig zu berücksichtigen ist; dies hängt vom wirtschaftlichen Inhalt dieses einseitig bewilligten Gestaltungsrechts ab.
Vorliegend kommt dem Sonderbeendigungsrecht der Klägerin kein eigenständiger Wert zu. Dabei ist nicht allein entscheidend, dass die Parteien durch diese Regelung keinen Streit beigelegt haben. Auch wenn das Beendigungsrecht des Arbeitnehmers mit der gleichzeitig geregelten Erhöhung der Abfindung im Rahmen der Freistellung nichts anderes als eine im Interesse des Arbeitnehmers gewährte Leistung zum Zwecke der Erledigung des Kündigungsrechtsstreits (LAG Köln, Beschluss vom 3. März 2009 – 4 Ta 467/08) sein ma...