Entscheidungsstichwort (Thema)
Gegenstandswert. Wahlanfechtung. Betriebsratswahl
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Gegenstandswertfestsetzung bei nicht vermögensrechtlichen Streitgegenständen erfolgt gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 BRAGO nach billigem Ermessen.
2. Bei Anfechtung einer Betriebsratswahl bestimmt sich der Gegenstandswert maßgeblich nach der Betriebsgröße und der Anzahl der zu wählenden Arbeitnehmer, wobei entsprechend der Zahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder nach § 9 BetrVG zu staffeln ist.
3. Ein Wahlanfechtungsverfahren ist zunächst mit dem 2-fachen Ausgangsstreitwert und der Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit der Betriebsratswahl mit dem 3-fachen Ausgangsstreitwert zu bewerten. Der Wert wird für jede Stufe der Staffel nach § 9 BetrVG um den halben Ausgangswert des § 8 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BRAGO erhöht.
Normenkette
BRAGO § 8 Abs. 2; BetrVG § 9
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Beschluss vom 27.06.2003; Aktenzeichen 19 BV 1/03) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 27. Juni 2003 – 19 BV 1/03 – dahingehend abgeändert, dass der Gegenstandswert für das Beschlussverfahren auf EUR 16.000,00 festgesetzt wird.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert beträgt EUR 613,00.
Tatbestand
I.
Die am 15. Juli 2003 bei Gericht eingegangene Beschwerde gegen den in der Beschlussformel näher bezeichneten am 10. Juli 2003 zugestellten Beschluss ist statthaft, da der Beschwerdegegenstand EUR 50,00 übersteigt.
Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden und damit zulässig.
Entscheidungsgründe
II.
In der Sache selbst hatte die Beschwerde zum Teil Erfolg.
1. Die Beteiligten streiten im vorliegenden Beschlussverfahren nach arbeitgeberseitiger Anfechtung über die Wirksamkeit einer durchgeführten Betriebsratswahl. Wesentlicher Hintergrund des Streites ist die Frage, ob und in welchem Umfang bei der Ermittlung der Betriebsgröße saisonale Tagesaushilfen zu berücksichtigen waren. Der Wahlvorstand ging unter Berücksichtigung von eingesetzten Tagesaushilfen für die Ermittlung der Betriebsgröße davon aus, dass der Betrieb regelmäßig mehr als 200 Arbeitnehmer beschäftige. Dementsprechend wurde – nach Auffassung des beteiligten Betriebsrates zu Recht – ein neunköpfiger Betriebsrat gewählt. Das beteiligte Unternehmen hat zunächst einen siebenköpfigen Betriebsrat für zutreffend erachtet und ist inzwischen im Hinblick auf eine für das Jahr 2003 beabsichtigte Umstrukturierung der Auffassung, dass nur noch ein fünfköpfiger Betriebsrat in Frage komme.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 27. Juni 2003 in Anwendung von § 8 Abs. 2 BRAGO den Gegenstandswert für das Verfahren auf EUR 8.000,00 festgesetzt. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf den vorgenannten Beschluss Bezug genommen.
Der Beschwerdeführer hält im Hinblick auf die wirtschaftliche Bedeutung der Auseinandersetzung und seinen Arbeitsaufwand einen Gegenstandswert in Höhe von EUR 36.000,00 für angemessen. Nach Auffassung des beteiligten Unternehmens ist ein Gegenstandswert von EUR 18.000,00 angemessen.
2. Das Beschwerdegericht vermag beiden Begründungen und auch dem Arbeitsgericht nicht zu folgen, sondern hält einen Gegenstandswert von EUR 16.000,00 für ermessensgerecht. Hierfür sind folgende Gründe maßgeblich:
Die Gegenstandswertfestsetzung hat vorliegend gem. § 8 Abs. 2 Satz 2 BRAGO zu erfolgen, weil das zu Grunde liegende Verfahren einen nichtvermögensrechtlichen Streitgegenstand hat. Nach der gesetzlichen Regelung ist der Gegenstandswert nach billigem Ermessen zu bestimmen und auf EUR 4.000,00, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über EUR 500.000,00 anzunehmen. Soweit möglich hat eine Bewertung nach individuellen Gesichtspunkten zu erfolgen. Danach findet insbesondere zum einen die Bedeutung der Angelegenheit für die Beteiligten und deren ideelles und materielles Interesse, zum anderen der maßgeblich durch die tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Sache bestimmte Umfang der anwaltlichen Tätigkeit Berücksichtigung (vgl. nur Beschluss des BAG vom 17.10.2001 – 7 ABR 42/99). Eine Festsetzung auf den Wert von EUR 4.000,00 – nach der Rechtsprechung des Siebten Senats des Bundesarbeitsgerichts „Ausgangs-” oder „Anknüpfungswert” – kommt nur in Betracht, wenn Anhaltspunkte für eine individuelle Bewertung der Angelegenheit nicht gegeben sind, d.h. die Umstände des konkreten Falles eine Erhöhung oder auch eine Reduzierung des Gegenstandswertes nicht gebieten.
Die trotz des ungewöhnlich weit reichenden Streitwertrahmens undifferenzierte Streitwertgrundnorm des § 8 Abs. 2 Satz 2 BRAGO stellt die Rechtsprechung vor die Aufgabe, die im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren in Frage kommenden Streitgegenstände innerhalb des vorgegebenen Bewertungsrahmens in ein Bewertungssystem einzubinden, das falladäquate Abstufungen zulässt und zugleich tragenden Grundsätzen des Arbeitsgerichtsprozesses ausreichend Rechnung trägt. Die Herausarbeitung ...