Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschwerdewert i.S.d. § 33 RVG. Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit. Gegenstandswert für eine mehr als einmonatige Freistellung des Arbeitnehmers. Relevanz streitbefangener Streitgegenstände für die Wertfestsetzung. Werterhöhende Ansprüche im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Gegenstandswert für die Freistellung eines Arbeitnehmers, die länger als einen Monat dauert, ist pauschalierend in Höhe eines Monatsgehaltes des Arbeitnehmers festzusetzen. Der Grund für diese Bewertung liegt darin, dass der Freistellungsanspruch das "Gegenstück" zum Beschäftigungsanspruch ist, welcher ebenfalls pauschal mit einem Monatsgehalt bewertet wird.

2. Für die Wertfestsetzung sind grundsätzlich nur solche Streitgegenstände werterhöhend zu berücksichtigen, über die zuvor außergerichtlich oder gerichtlich gestritten worden ist.

3. Ansprüche, über die typischerweise im Zusammenhang mit der Beendigung von Arbeitsverhältnissen gestritten wird, wie Zeugnis, Beschäftigung oder Freistellung, sind stets werterhöhend zu berücksichtigen.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Beschwerdewert ist der Unterschiedsbetrag zwischen derjenigen entstandenen und voraussichtlich noch entstehenden Gesamtvergütung des Rechtsanwalts (Gebühren und Auslagen einschließlich Umsatzsteuer), die sich aufgrund der bisherigen Festsetzung ergibt und derjenigen entstandenen und voraussichtlichen Gesamtvergütung, die sich nach dem behaupteten und mit der Beschwerde erstrebten Wert ergibt.

2. Die auf der Ebene der Landesarbeitsgerichte eingerichtete Streitwertkommission hat einen Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit erarbeitet. Dieser entfaltet zwar keine rechtliche Bindungswirkung, stellt aber eine ausgewogene und mit den gesetzlichen Vorgaben übereinstimmende Orientierung für die Arbeitsgerichte dar.

 

Normenkette

RVG § 33; GKG § 42 Abs. 2; ZPO § 256

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 01.12.2022; Aktenzeichen 17 Ca 305/22)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 01. Dezember 2022 - 17 Ca 305/22 - wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Die befristete Beschwerde richtet sich gegen die Festsetzung des Wertes des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit, hier gegen die Höhe eines festgesetzten Vergleichsmehrwertes in einem arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren.

Im Ausgangsverfahren stritten die Parteien über eine Kündigungsschutzklage wegen einer von der Beklagten ausgesprochenen Beendigungskündigung vom 27. September 2022 zum 31. März 2023, nachdem die Klägerin seit dem 15. Februar 2018 zu einem Bruttomonatsverdienst von zuletzt 4.250,00 € beschäftigt war.

Mit gerichtlichem Vergleich vom 11. November 2022 - 17 Ca 305/22 - (Bl. 116 ff. d.A.) vereinbarten die Parteien u.a. die Beendigung des Arbeitsverhältnisses infolge Kündigung vom 27. September 2022 mit Ablauf des 31. März 2023, ferner unter Ziff. 4 eine unwiderrufliche Freistellung der Klägerin für die Zeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, unter Ziff. 6 eine Zeugnisregelung mit sehr guter Leistungs- und Verhaltensbeurteilung.

Das Arbeitsgericht Hamburg hat durch Beschluss vom 01. Dezember 2022 - 17 Ca 305/22 - (Bl. 136. d.A.) auf Antrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin nach Anhörung der Parteien und ihrer Prozessbevollmächtigten den Gegenstandswert für die Klage auf 12.750,00 € und für den Vergleich auf einen Mehrwert von 8.500,00 € festgesetzt.

Gegen den ihr nicht förmlich zugestellten Beschluss hat die Klägerin mit einem am 14. Dezember 2022 (Bl. 148 d.A.) beim Arbeitsgericht Hamburg eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt.

Zur Begründung führt die Beschwerde aus, die Festsetzung sei falsch, da die Freistellung nicht streitig gewesen sei und bezog sich dazu auf den Streitwertkatalog der Arbeitsgerichtsbarkeit Ziff. 25.1.4. und ein Schreiben ihrer Rechtsschutzversicherung vom 08. Dezember 2022.

Das Arbeitsgericht Hamburg hat der Beschwerde durch Beschluss vom 17. Februar 2023 - 17 Ca 305/22 - (Bl. 231 f. d.A.) nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Die Klägerin und der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme zur Nichtabhilfeentscheidung des Arbeitsgerichts. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin verwies daraufhin aus seiner bisherige Ausführungen. Eine weitergehende Stellungnahme - auch der Klägerin persönlich - ist nicht erfolgt.

II.

Die Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.

1. Die Beschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt worden.

a) Die Beschwerde ist statthaft, weil sie von einem Beschwerdeberechtigten eingelegt worden ist und der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 € übersteigt (§ 33 Abs. 3 Satz 1 RVG).

aa) Beschwerde einlegen können die Antragsberechtigten. Dies ist ua. der "Auftraggeber" (§ 33 Abs. 2 Satz 2 RVG), d.h. hier die Klägerin als Auftraggeberin ihrer Prozessbev...

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