Entscheidungsstichwort (Thema)
Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung eines Arbeitnehmers
Leitsatz (redaktionell)
Der Gehaltstarifvertrag für den Hamburger Einzelhandel kann dahingehend ausgelegt werden, dass es für die Abgrenzung von Verkäufern und Kassierern darauf ankommt, welche Tätigkeit überwiegend ausgeübt wird, auch wenn dies in § 6 des Manteltarifvertrags für den Hamburger Einzelhandel nicht ausdrücklich erwähnt wird.
Normenkette
ArbGG § 69 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 18.11.2021; Aktenzeichen 1 BV 16/21) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 18.11.2021 (1 BV 16/21) wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung einer Arbeitnehmerin.
69 II ArbGG auf die Feststellungen des Arbeitsgerichts unter I des angefochtenen Beschlusses (Bl. 117 - 121) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Auf die Gründe unter II des angefochtenen Beschlusses wird ebenfalls Bezug genommen.
Gegen den ihr am 25.11.2021 zugestellten Beschluss hat die Arbeitgeberin am 20.12.2021 Beschwerde eingelegt und diese am 25.01.2022 begründet.
Die Arbeitgeberin meint, das Arbeitsgericht habe die Systematik des einschlägigen Gehaltstarifvertrags für den Hamburger Einzelhandel nicht richtig erkannt. Dieses ordne Verkäuferinnen der Entgeltgruppe 2a zu, auch wenn sie kassieren. Dem gegenüber würden in den Regelbeispielen der Gehaltsgruppe 3 - dem Obersatz entsprechend - nur gehobene Tätigkeiten genannt. Gehobene Tätigkeiten wie die Abrechnung der Kassen würden bei der Arbeitgeberin aber nicht von den an der Kasse eingesetzten Kräften alleine ausgeführt, sondern stets in Zusammenarbeit mit den sog. Supervisoren.
Die Arbeitgeberin beruft sich auf einen Beschluss der Kammer 5 des LAG Hamburg vom 12.01.2022 (5 TaBV 6/21), in dem die Kammer die Ansicht vertreten habe, der Begriff der Kassiererin komme im Hamburgischen Tarifvertrag in mehreren Entgeltgruppen vor. Daher müsse auf die Obersätze im Tarifvertrag zurückgegriffen werden.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung (Bl. 205 - 212 d.A.) sowie die ergänzenden Schriftsätze vom 09.11.2022 (Bl. 249 - 278 d.A.), 23.01.2023 (Bl. 285 - 289 d.A.) und 06.04.2023 (Bl. 300 - 326 d.A.) Bezug genommen.
Die Arbeitgeberin beantragt,
den am 18.11.2021 verkündeten Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg (1 BV 16/21) aufzuheben und die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung der Mitarbeiterin S. in die Gehaltsgruppe 2a, nach dem 5. Berufsjahr des Gehaltstarifvertrags für den Hamburger Einzelhandel mit Wirkung ab dem 01.05.2021 zu ersetzen.
Der Betriebsrat beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt die angegriffene Entscheidung und weist darauf hin, dass die Tarifverträge des Einzelhandels in mehreren anderen Bundesländern zwischen Kassierer/*innen mit einfachen und mit gehobenen Tätigkeiten differenzierten. In dem für Hamburg geltenden Tarifvertrag werde der Begriff der Kassiererin hingegen nur in den Regelbeispielen der Entgeltgruppe III genannt.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschwerdeerwiderung (Bl. 224 - 227 d.A. sowie auf die ergänzenden Schriftsätze vom 31.01.2023 (Bl. 291f d.A.).
II.
Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist nicht begründet. Die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung der Arbeitnehmerin S. in die Gehaltsgruppe 2a des Gehalts-​TV für den Hamburgischen Einzelhandel ist nicht zu ersetzen.
Die Beschwerdekammer macht sich zunächst in entsprechender Anwendung von § 69 II ArbGG die Gründe der angefochtenen Entscheidung zu eigen. Die Ausführungen der Beteiligten in der Beschwerdeinstanz geben zu folgenden ergänzenden Anmerkungen Anlass:
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Kammer anschließt, folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln (BAG v. 26.04.2017 - 10 AZR 589/15 - Tz 13). Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, sofern und soweit er in den tariflichen Regelungen und ihrem systematischen Zusammenhang Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die pr...