Entscheidungsstichwort (Thema)

Mehrwert einer Freistellungsregelung in einem gerichtlichen Vergleich

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Freistellungsregelung in einem gerichtlichen Vergleich löst einen Vergleichsmehrwert aus, es sei denn, der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers war zuvor Gegenstand der gerichtlichen Auseinandersetzung oder die Parteien hatten sich bereits vor Abschluss des gerichtlichen Vergleichs bindend über eine Freistellung verständigt.

2. Da die Freistellung das "Gegenstück" zum Beschäftigungsanspruch ist, ist ein Mehrvergleich über die Freistellung des Arbeitnehmers mit einem Bruttomonatsgehalt zu bewerten, wenn die Dauer der Freistellung einen Monat übersteigt (wie LAG Hamburg 13.01.2010 - 7 Ta 27/09 - juris Rn 9).

 

Normenkette

ZPO § 91 Abs. 1, §§ 103-104, 114; RVG § 48 Abs. 1, § 55

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 18.07.2016; Aktenzeichen 22 Ca 147/16)

 

Tenor

Der Gegenstandswert wird wie folgt festgesetzt:

für die Klage auf 76.028,74 €;

für den Vergleich auf einen Mehrwert i.H. v. 50.685,84 €.

 

Gründe

I.

Mit seiner am 4. August 2016 beim Arbeitsgericht eingegangenen Streitwertbeschwerde strebt der Prozessbevollmächtigte des Klägers als Beschwerdeführer die Festsetzung eines höheren Vergleichsmehrwerts an.

Im Ausgangsprozess hat der Kläger eine ordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses zum 30. Dezember 2016 angegriffen. Das Kündigungsschreiben vom 3. Mai 2016 sah eine unwiderrufliche Freistellung des Klägers bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor. Der Rechtsstreit ist durch einen Vergleichsbeschluss des Arbeitsgerichts vom 9. Juni 2016 erledigt worden (Bl. 27-29 d. A.).

Auf Antrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 18. Juli 2016, dem Prozessbevollmächtigten der Kläger zugestellt am 22. Juni 2016, den Gegenstandswert der Klage und des verfahrensbeendenden Vergleichs vom 9. Juni 2016 festgesetzt. Hierbei hat es die Klage mit drei durchschnittlichen Bruttomonatsgehältern des Klägers (1/12 des Jahresgehalts) in Höhe von 25.342,92 €, also insgesamt mit 76.028,74 € bewertet. Für den verfahrensbeendenden Vergleich vom 9. Juni 2016 hat es einen Mehrwehrt von einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt des Klägers, also von 25.342,92 €, für die Zeugnisregelung (Ziffer 4 des Vergleichs) festgesetzt. Die weiteren Vergleichsregelungen, insbesondere die Regelung der unwiderruflichen Freistellung des Klägers bis zum Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses (31.12.2016) unter Ziffer 2 des Vergleichs, hat es nicht werterhöhend berücksichtigt.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat mit seiner Beschwerde vom 4. August 2016, am selben Tag beim Arbeitsgericht eingegangen, den Wertfestsetzungsbeschluss in Bezug auf die Festsetzung des Vergleichsmehrwerts angegriffen. Er ist der Auffassung, dass die Regelung der die Dauer von einem Monat übersteigende Freistellung des Klägers unter Ziff. 2 des Vergleichs gleichfalls einen Mehrvergleich darstelle, für den zusätzlich ein Vergleichsmehrwert in Höhe von 1/12 des Jahresgehalts des Klägers, also von 25.342,92 € anzusetzen sei.

Das Arbeitsgericht hat der Streitwertbeschwerde mit Beschluss vom 3. Juni 2016 nicht abgeholfen und zur Begründung darauf hingewiesen, dass die mit der Kündigung erfolgte unwiderrufliche Freistellung zu keinem Zeitpunkt zwischen den Parteien streitig gewesen sei.

II.

1. Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers ist gemäß § 33 Abs. 3 RVG zulässig.

Seine Antragsberechtigung folgt aus § 33 Abs. 2 Satz 2 RVG. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,00 €. Die Frist des § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG ist eingehalten.

2. Die Beschwerde ist begründet.

Das Arbeitsgericht hat den Mehrwert für den Vergleich zu niedrig festgesetzt. Neben der Zeugnisregelung, die das Arbeitsgericht zu Recht mit einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt des Klägers bewertet hat, ist die Freistellungsregelung unter Ziffer 2 des Vergleichs werterhöhend zu berücksichtigen. In Bezug auf diese Regelung ist, wie vom Beschwerdeführer beantragt, gleichfalls ein Mehrwert von einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt des Klägers anzusetzen.

a) Die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts kommt (nur) für solche Regelungen eines Vergleichs infrage, die andere Punkte als den Gegenstand der gerichtlichen Auseinandersetzung betreffen. Ob die Einbeziehung von solchen zusätzlichen Punkte in einen gerichtlichen Vergleich einen Vergleichsmehrwert auslöst (hierzu BAG 16.02.2012 - 3 AZB 34/11 - NZA 2012, 1390 ff.; Sächsisches LAG 23.06.2014 - 4Ta 95/14 (3) - juris), hängt vom Inhalt der getroffenen Regelung ab.

Einen Mehrwert haben in jedem Fall solche Regelungen, durch die ein Streit der Parteien über den der Vergleichsregelung zugrundeliegenden Gegenstand beigelegt wird (LAG Köln 09.06.2016 - 4 Ta 122/16 - juris Rn 4; siehe auch Ziffer I.22.1 des Streitwertkatalogs für die Arbeitsgerichtsbarkeit i.d.F. v. 09.07.2014).

Ein Mehrvergleich liegt weiterhin vor, wenn die Vergleichsregelung die Durchsetzbarkeit einer u...

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