Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an das Verfahren der Stimmabgabe bei der Betriebsratswahl
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Angebot einer Online-Stimmabgabe bei der Betriebsratswahl ist nicht von der Wahlordnung gedeckt. Vielmehr ergibt sich aus § 26 Abs. 1 Wahlordnung, dass neben dem dort vorgesehenen Verfahren der Abstimmung per Stimmzettel eine weitere Form der Stimmabgabe nicht vorgesehen ist.
2. Ein Verstoß gegen diese Form durch Zulassung einer Online-Stimmabgabe führt zur Anfechtbarkeit, nicht aber zur Nichtigkeit der Betriebsratswahl.
Normenkette
Wahlordnung Betriebsrat § 26 Abs. 1; BetrVG § 19
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 07.06.2017; Aktenzeichen 13 BV 13/16) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts vom 07.06.2017 (13 BV 13/16) abgeändert:
Die Betriebsratswahl vom 11. - 27.04.2016 wird für unwirksam erklärt.
Der weitergehende Antrag der Beteiligten zu 1, 2, 4 - 7 wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der im Betrieb der Arbeitgeberin im April 2016 durchgeführten Betriebsratswahl. Wegen des Sach- und Streitstands in erster Instanz wird in entsprechender Anwendung von § 69 II ArbGG auf die Feststellungen im angefochtenen Beschlusses (Bl. 319 - 322 d.A.) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die Betriebsratswahl für nichtig erklärt. Die Durchführung einer Online-Wahl verstoße in grober Weise gegen die Bestimmungen der Wahlordnung. Neben der Abgabe der Stimmen im Wahllokal sehe die Wahlordnung allein die Briefwahl vor. Eine Online-Wahl widerspreche Wortlaut, Systematik und Sinn und Zweck der Wahlordnung. Für die Zulässigkeit einer "extensiv zeitgemäßen" Auslegung fehlten jegliche Anhaltspunkte. Der schwerwiegende Verstoß war auch offensichtlich. Selbst das vom Hersteller der Software eingeholte Gutachten weist darauf hin, dass eine online-Wahl derzeit unzulässig sei. Wegen der Einzelheiten wird auf Absatz II der Gründe (Bl. 322 - 328 d.A.) Bezug genommen.
Gegen den am 07.06.2017 verkündeten und dem Verfahrensbevollmächtigten der Arbeitgeberin am 13.06.2017 zugestellten Beschluss hat die Arbeitgeberin am 04.07.2017 Beschwerde eingelegt und diese - nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 13.10.2017 - an diesem Tag begründet.
Die Arbeitgeberin meint, das zusätzliche Angebot einer online Stimmabgabe stelle jedenfalls keinen derart gravierenden Rechtsfehler dar, dass die Rechtsfolge die Nichtigkeit der Betriebsratswahl sei. Für die Onlinewahl wurde die Software der P. GmbH. Diese Software entspreche den Sicherheitsvorgaben des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und sei von diesem zertifiziert. Die Registrierung zur Onlinewahl erfolge - wie diejenige zur Briefwahl - über eine entsprechende Bildschirmmaske. Die Teilnehmer müssten einen Grund angeben und zusichern, keine Stimme über ein anderes Wahlverfahren abzugeben. Die Rückverfolgung der abgegebenen Stimme zur Person des Wählers sei systemtechnisch ausgeschlossen. Das Onlineverfahren sei als zusätzliche Option angeboten worden, um die Wahlbeteiligung zu erhöhen und dadurch die demokratische Legitimation des Betriebsrats zu stärken. Dieses Ziel sei erreicht worden, da die Wahlbeteiligung im Vergleich zur Betriebsratswahl um 6 % zugenommen habe. Die Vorbereitung der Onlinewahl sei mit größter Sorgfalt in mehr als 60 Sitzungen des Wahlvorstands erfolgt. Zur rechtlichen Absicherung sei ein wissenschaftliches Gutachten von Herrn Prof. Dr. W. herangezogen worden. Dieser sei zu dem Ergebnis gelangt, dass die Onlinewahl unter bestimmten Voraussetzungen rechtmäßig sein könne, im Übrigen aber allenfalls anfechtbar, keinesfalls nichtig.
Die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl sei als Rechtsfolge im Gesetz nicht vorgesehen und werde von der Rechtsprechung nur unter sehr strengen Voraussetzungen angenommen.
Die Onlinewahl stelle keinen groben Verstoß gegen Wahlvorschriften dar. Zwar werde die Onlinewahl in der Wahlordnung nicht ausdrücklich erwähnt, aber auch nicht ausgeschlossen. Die Regelungen zur Briefwahl könnten deshalb auch dahingehend ausgelegt werden, dass sie jedenfalls dann eine Onlinewahl gestatteten, wenn die Vorgaben der Briefwahl exakt nachgezeichnet würden. Der Wortlaut eines Gesetzes sei nach den Grundsätzen der Methodenlehre weder das einzige noch das allein maßgebliche Auslegungskriterium, sondern lediglich der Ausgangspunkt der Überlegungen. Da es einen völlig eindeutigen Wortlaut nicht gebe und die Gesetzesauslegung dem Gesetzeswortlaut nach dem ihm innewohnenden Sinn gerecht zu werden versuche, habe sich das Arbeitsgericht nicht damit begnügen dürfen, lediglich den - angeblich - eindeutigen Wortlaut der Wahlordnung zu bemühen. Wie im Gutachten von Prof. Dr. W. ausgeführt, sei eine extensive Auslegung der §§ 24ff WO nicht von vornherein ausgeschlossen. Lasse sich über die Zulässigkeit der Onlinewahl ernsthaft streiten, sei ein grober Verstoß im Sinne der Rechtsprechung des BAG ausgesc...