Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung einer Abfindung bei der Streitwertbemessung

 

Leitsatz (redaktionell)

Beruht die Abfindung auf einer eigenen Anspruchsgrundlage, die nicht von dem Ausgang des Kündigungsschutzrechtsstreits abhängig ist, handelt es sich um verschiedene Streitgegenstände, die eine Streitwertaddition erforderlich machen. Der Streitwert eines solchen Abfindungsanspruchs unterliegt nicht den Beschränkungen des § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG.

 

Normenkette

ArbGG § 12 Abs. 7 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Beschluss vom 28.08.2003; Aktenzeichen 16 Ca 182/03)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 01. September 2003, bei Gericht am 02. September 2003 eingegangen, wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 28. August 2003 – 16 Ca 182/03 –, dem Beschwerdeführer formlos am 01. September 2003 zugestellt, wie folgt abgeändert:

Der Gegenstandswert zum Zwecke der anwaltlichen Gebührenberechnung wird für den Hilfsantrag zu Ziffer 3 auf EUR 32.105,00 festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Mit dem diesem Beschwerdeverfahren zu Grunde liegenden Rechtsstreit hat sich die Klägerin gegen eine betriebsbedingte Kündigung gewehrt sowie hilfsweise für den Fall des Obsiegens Weiterbeschäftigung begehrt, weiterhin hilfsweise für den Fall des Unterliegens Zahlung einer Abfindung von EUR 32.105,00 eingeklagt. Den Zahlungsanspruch hat die Klägerin auf eine Regelung eines Tarifvertrages, des „TV Umstrukturierung”, gestützt, nach welchem gemäß dessen § 4 Ziff. 8 im Falle einer betriebsbedingten Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Möglichkeit des Angebots eines zumutbaren Arbeitsplatzes etc. eine Abfindung nach einem Rahmensozialplan beansprucht werden kann.

Nach vergleichsweiser Beendigung des Rechtstreits hat das Arbeitsgericht den Gegenstandswert für die Klage auf vier Bruttomonatsvergütungen mit insgesamt EUR 14.123,60 festgesetzt, den hilfsweise eingeklagten Abfindungsanspruch aber nicht berücksichtigt.

Gegen letzteres richtet sich die Beschwerde, mit der beantragt wird, den geltend gemachten Abfindungsanspruch gemäß dem Hilfsantrag zu Ziffer 3 mit einem Streitwert von EUR 32.105,00 festzusetzen.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 03. September 2003 nicht abgeholfen.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin im eigenen Namen eingelegte Beschwerde gegen den in der Beschlussformel bezeichneten Beschluss des Arbeitsgerichts ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 10 Abs. 3 Satz 3 BRAGO, § 569 ZPO). Die Beschwerde ist auch statthaft (§ 10 Abs. 3 Satz 1 BRAGO), da der Beschwerdegegenstand EUR 50,00 übersteigt.

2. Die Beschwerde ist auch begründet. Die mit Ziffer 3 hilfsweise begehrte Abfindungszahlung war entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts als gesonderter Streitwert zu berücksichtigen und dem Streitwert für Feststellungs- und Weiterbeschäftigungsantrag hinzufügen. Bei allem kam es bereits deshalb nicht an auf § 19 Abs. 1 Satz 2 GKG, wonach ein nicht entschiedener Hilfsantrag außer Betracht bleibt, weil es vorliegend nicht um die Bemessung der Gerichtskosten, sondern um die Bemessung der Anwaltsgebühren geht.

Allerdings bleiben nach allgemeiner und seit langem praktizierter Rechtsauffassung in Literatur und Rechtsprechung, der auch das Beschwerdegericht folgt, im Kündigungsprozess geltend gemachte Abfindungen unbewertet, wenn es sich um Abfindungen im Sinne der §§ 9,10 KSchG handelt. Nach § 12 Abs. 7 Satz 1 Halbs. 2 ArbGG ist eine Abfindung bei der Streitwertberechnung selbst dann nicht hinzuzurechnen, wenn das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung gemäß §§ 9,10 KSchG aufgelöst wird. U. a. zur Vermeidung der Belastung mit einem zu hohen Kostenrisiko bleibt das Auflösungsverlangen im Arbeitsgerichtsprozesses seit Jahrzehnten bei der Gebührenfestsetzung unberücksichtigt, selbst dann, wenn der Arbeitnehmer den Auflösungsantrag stellt und den Abfindungsantrag beziffert (vgl. nur GK-ArbGG/Wenzel, 2002, § 12 Rz 103).

Mit den vorstehenden Grundsätzen müssen aber nicht zugleich alle im Kündigungsprozess geltend gemachten Abfindungen unbewertet bleiben. Soweit eine solche Rechtsauffassung vertreten wird (vgl. hierzu nur Zitate bei GK-ArbGG/Wenzel, 2002, § 12 Rz 103a), wird nicht in ausreichender Weise auf die jeweilige Anspruchsgrundlage für eine Abfindung geachtet. Es ist nämlich zu unterscheiden zwischen Abfindungen im Sinne der §§ 9,10 KSchG einerseits und anderen Entschädigungen, die auf anderen Rechtsgrundlagen beruhen wie etwa einem Rationalisierungsschutzabkommen, Sozialplänen, sonstigen Vereinbarungen und auch Ansprüchen nach § 113 BetrVG (vgl. wiederum GK-ArbGG/Wenzel, 2002, § 12 Rz 103a). Beruht die Abfindung auf einer eigenen Anspruchsgrundlage, die nicht von dem Ausgang des Kündigungsschutzrechtsstreits abhängig ist, handelt es sich um verschiedene Streitgegenstände, die eine Streitwertaddition erforderlich machen, denn der Streitwert eines solchen Abfindungsanspruchs unterliegt nicht den Beschränkungen des § 12 Abs. 7 Satz ...

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