Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitnehmerbegriff. Lehrkraft. Sprachenschüler. methodische-didaktische Vorgaben

 

Leitsatz (amtlich)

Nicht nur ein einseitiges Weisungsrecht, sondern auch eine nähere vertragliche Vereinbarung über die Einzelheiten der Durchführung einer Dienstleistung kann ein im Rahmen der Gesamtabwägung zur Feststellung der persönlichen Abhängigkeit im Sinne eines Arbeitsverhältnisses erheblicher Umstand sein (teilweise abweichend von Bundesarbeitsgericht, Beschluß vom 28: November 1990 – 7 ABR 51/89 –). Dem entspricht der am 23. Juni 1995 in den Bundesrat eingebrachte sächsischen Entwurf eines Arbeitsvertragsgesetzes, in dem das Tatbestandsmerkmal einer Tätigkeit nach vertraglichen Vorgaben alternativ zur Tätigkeit nach Weisungen vorgesehen ist (BR-Drucksache 293/95; vgl. auch Neumann, DB 1995, 20113 ff., 2016).

 

Normenkette

BGB § 611

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Beschluss vom 17.05.1994; Aktenzeichen 5 BV 5/94)

 

Tenor

Die Beschwerde des Beteiligten zu 2. gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Hamburg vom 17. Mai 1994 – 5 BV 5/94 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

A.

Mit dem am 22. April 1994 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag wendet sich die Antragstellerin und Arbeitgeberin im Wege der Anfechtung gegen die Gültigkeit der Betriebsratswahl vom 11. April 1994 in ihrer Schule in Hamburg.

Die Arbeitgeberin unterhält bundesweit zahlreiche Sprachschulen. In ihrer Hamburger Sprachschule fanden am 11. April 1994 Betriebsratswahlen statt. Das Wahlergebnis wurde am selben Tage bekannt gemacht. Wegen der Einzelheiten der Bekanntmachung wird auf die Anlage 1 zur Antragsschrift (Bl. 4 d.A.) verwiesen.

Von den 31 abgegebenen Stimmen betrachtete der Wahlvorstand 28 als gültig. Die vom Wahlvorstand aufgestellte Wählerliste (vgl. Anlage 2 zur Antragsschrift, Bl. 5 f. d.A.) umfaßte insgesamt 35 Personen, von denen 8 Lehrkräfte waren, mit denen die Arbeitgeberin auf der Grundlage des bei ihr verwendeten Formularvertrages jeweils eine „Vereinbarung über freie Mitarbeiter – Typ C” abgeschlossen hatte. Diese Formularverträge haben unter anderem folgenden Inhalt:

  1. „Herr/Frau … stellt sich ab … der Schule zur Erteilung von Sprachunterricht in der … Sprache auf freiberuflicher Basis zur Verfügung. Zwischen ihm/ihr und der Schule besteht kein Arbeitgeber-/Arbeitnehmerverhältnis.
  2. Die Unterrichtseinheiten werden ihm/ihr von Fall zu Fall angeboten. Es besteht kein Anspruch auf eine bestimmte Anzahl von Unterrichtseinheiten innerhalb eines bestimmten Zeitraums. Die Unterrichtsdurchführung basiert auf der von … entwickelten Sprachlehrmethode, die auch etwaige Inspektionen einschließt.
  3. Herr/Frau … hat als freie/r Mitarbeiter/in das Recht, ihm/ihr angebotene Unterrichtseinheiten ohne Angabe von Gründen abzulehnen. Die Beendigung der Bereitschaft gemäß Ziffer 1 für die Schule zu unterrichten, ist an keine Fristen gebunden. Eine rechtzeitige Mitteilung wird als Anstandspflicht vorausgesetzt.
  4. Aus der Beendigung der Bereitschaft gemäß Ziffer 1 leitet die Schule ebenso wenig Rechte, wie Herr/Frau … daraus, daß die Schule trotz bestehender Bereitschaft hiervon nur im Rahmen obiger Ziffer 2 oder gar keinen Gebrauch macht. Im übrigen sind die Parteien darüber einig, daß eine Weisungsbefugnis der Schule nicht besteht; dies ändert jedoch nichts an der Unterrichtsdurchführung gemäß der …-Sprachlehrmethode.
  5. Das Honorar richtet sich nach der Anzahl der erteilten Unterrichtseinheiten multipliziert mit einem Entgeltsatz von … DM (Standard-/Nichtstandardunterricht) pro Unterrichtseinheit. Das Honorar wird von der Hauptverwaltung nach Erhalt der Honorar-Abrechnung aus der Schule monatlich auf ein von dem/der freien Mitarbeiter/in zu benennendes Konto bei einer Bank oder Sparkasse überwiesen.
  6. Der/Die freie Mitarbeiter/in hat keinen Honoraranspruch bei Krankheit, Feiertagen, Urlaub oder auf sonstige Sozialleistungen der Schule; er/sie wird nicht in den Schulbetrieb integriert, sondern nur von Fall zu Fall und in zeitlicher Übereinstimmung zwischen ihm/ihr und der Schulleitung eingesetzt.
  7. Die Schule behält vom vereinbarten Honorar keine Lohnsteuer ein. Der/Die freie Mitarbeiter/in muß seine/ihre Einkünfte auf dem Veranlagungsweg selbst beim Finanzamt versteuern. Der/Die freie Mitarbeiter/in verpflichtet sich zur Angabe der Steuernummer bzw. Abgabe der Kopie eines Gewerbescheines.
  8. Da es sich bei dieser Beschäftigung nicht um ein Arbeitgeber-/Arbeitnehmerverhältnis handelt, obliegt die private Vorsorge zur Sozialversicherung allein dem/der freien Mitarbeiter/in.
  9. …”

Die Übernahme von Unterrichtsstunden der an diese Vereinbarung gebundenen Lehrkräfte erfolgte jeweils durch mündliche Absprachen, die meist telefonisch am Tag vor der einzelnen Lehrveranstaltung zwischen der Arbeitgeberin und der Lehrkraft erfolgten. Es kam auch vor, daß Lehrkräfte die Betreuung von Gruppen längerfristig übernahmen. Auch dann war es den einzelnen Lehrkräften jedoch möglich, während der übernommenen Kursdauer jederzeit die Lehrtätigkei...

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