Entscheidungsstichwort (Thema)
Gegenstandswertfestsetzung. Vergleichsmehrwert. Hinzurechnung einer Abfindung. Regelung von weiteren Streitgegenständen. Gegenstandswert für Mehrvergleich unter Hinzurechnung einer Abfindung. Vergleichsmehrwert bei Regelung weiterer Streitgegenstände
Leitsatz (amtlich)
1. Das Hinzurechnungsverbot für Abfindungen gemäß § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG gilt nicht ausnahmslos. Abfindungen aus Rationalisierungsabkommen, Sozialplänen oder nach § 113 Abs. 3 BetrVG werden für die Streitwertfestsetzung berücksichtigt.
2. Der Streitwert eines Vergleichs geht über den Streitwert des Verfahrens, in dem der Vergleich geschlossen wird, nur dann hinaus, wenn er Regelungen enthält, durch die andere Streitgegenstände beigelegt werden, die zwar nicht im vorliegenden Verfahren, wohl aber bereits in einem anderen Verfahren anhängig sind, oder über die die Parteien bislang zwar nur außergerichtlich gestritten haben, bei denen aber die konkrete Gefahr besteht, dass sie ohne die vergleichsweise Regelung alsbald in einem gerichtlichen Verfahren ausgetragen werden.
Normenkette
RVG § 33 Abs. 3; GKG § 42 Abs. 3 S. 1; KSchG §§ 9-10; ZPO § 3; BGB § 611 Abs. 1, § 779
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 10.10.2012; Aktenzeichen 11 Ca 90/12) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 10. Oktober 2012 - 11 Ca 90/12 - teilweise abgeändert:
Der Vergleichswert beträgt € 5.601,74.
Gründe
1. Im Ausgangsverfahren stritten die Parteien um eine ordentliche Kündigung. Gemäß § 278 Abs. 6 ZPO stellte das Arbeitsgericht einen Vergleich fest, in dem die Parteien davon ausgehen, dass das Arbeitsverhältnis durch Betriebsübergang auf einen Dritten übergegangen ist und dessen Ziffer 2 lautet:
"Im Hinblick auf die Insolvenz des Betriebserwerbers ist die Beklagte bereit und verpflichtet sich hiermit, eine freiwillige und einmalige Nachteilsausgleichsentschädigung in Höhe von € 1487,64 brutto als Entschädigungsleistung an die klagende Partei zu zahlen."
Mit dem angegriffenen Beschluss, zugestellt am 18. Oktober 2012, hat das Arbeitsgericht bei der Wertfestsetzung für den Vergleich die genannte Abfindungszahlung nicht werterhöhend berücksichtigt. Hiergegen wenden sich die Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit ihrer am 29. Oktober 2012 bei Gericht eingegangenen Beschwerde. Mit Beschluss vom 8. November 2012 hat das Arbeitsgericht nicht abgeholfen.
2. Die nach § 33 Abs. 3 RVG eingelegte Beschwerde ist statthaft. Der nach § 33 Abs. 3 RVG erforderliche Beschwerdewert von € 200,- wird überstiegen. Die Beschwerde ist form- und fristgemäß eingelegt worden und damit zulässig. Sie erweist sich auch als begründet.
Nach § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG ist eine Abfindung allerdings bei der Streitwertberechnung dann nicht hinzuzurechnen, wenn das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung gemäß §§ 9,10 KSchG aufgelöst wird. Das Hinzurechnungsverbot gilt indes nicht ausnahmslos. Abfindungen aus Rationalisierungsabkommen, Sozialplänen oder nach § 113 Abs. 3 BetrVG - wie vorliegend - werden für die Streitwertfestsetzung berücksichtigt. Sie haben gegenüber dem Kündigungsschutzverfahren einen eigenen Streitgegenstand, sie stellen keinen Ersatz für das Arbeitsverhältnis dar (Schwab-Vollstädt, ArbGG 3. Aufl. 2011, Nr. 193 mwN. u.a. LAG Hamburg 19.09.2003 - 4 Ta 16/03 - LAGE § 12 ArbGG 1979 Streitwert Nr 131, juris). Der Streitwert richtet sich dabei nach der Höhe der Abfindung.
Der Streitwert eines Vergleichs geht über den Streitwert des Verfahrens, in dem der Vergleich geschlossen wird, nur dann hinaus, wenn er Regelungen enthält, durch die andere Streitgegenstände beigelegt werden, die zwar nicht im vorliegenden Verfahren, wohl aber bereits in einem anderen Verfahren anhängig sind, oder über die die Parteien bislang zwar nur außergerichtlich gestritten haben, bei denen aber die konkrete Gefahr besteht, dass sie ohne die vergleichsweise Regelung alsbald in einem gerichtlichen Verfahren ausgetragen werden. Nur dann handelt es sich um mit erledigte zusätzliche Streitgegenstände im gebühren- und verfahrensrechtlichen Sinne (LAG Köln 24.03.2010 - 5 Ta 50/10; LAG Baden-Württemberg 23.12.2009 - 5 Ta 158/09; LAG Berlin-Brandenburg 12.03.2009 - 17 Ta (Kost) 6011/09- zit. nach Juris). Allerdings kann ein Vergleichsmehrwert auch bei unstreitigen Ansprüchen angenommen werden, wenn der Vergleich über die deklaratorische Feststellung der Rechtfolgen der arbeitsvertraglichen Rechtsbeziehungen hinaus Vergleichsinhalte aufweist, die zumindest ein Titulierungsinteresse begründen könnten (LAG Düsseldorf 08.03.2007 - 6 Ta 67/07 - Juris).
So liegt es hier: Es gab Fragen im Hinblick auf einen Betriebsübergang, dem Zusammenschluss von in Hamburg ansässigen Betrieben und damit das Problem einer Betriebsänderung und ggf. entsprechendem Nachteilsausgleich. All diese Rechtsprobleme sind durch den Vergleich einbezogen und gelöst worden. Zudem ist ein berechtigtes Interesse der Klägerin an einer Titulierung naheli...