Entscheidungsstichwort (Thema)

Gegenstandswert. Unterlassungsanspruch. Betriebsänderung

 

Leitsatz (amtlich)

Für den Antrag des Betriebsrats auf Untersagung der Durchführung einer geplanten Betriebsänderung ist jedenfalls der doppelte Hilfswert des § 23 Abs. 3 RVG in Ansatz zu bringen. Führt die verzögerte Durchführung der Betriebsänderung zu wirtschaftlichen Belastungen des Unternehmens z. B. durch einen späteren Ablauf von Kündigungsfristen, so kann dies mit einem weiteren Hilfswert berücksichtigt werden. Um die Anzahl der von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer zu erfassen, kann auf die Staffel des § 17 Abs. 1 KSchG – bzw. bei bloßem Personalabbau – auf die des § 112 a BetrVG zurückgegriffen werden. Für jede dieser Stufen ist dann der zuvor ermittelte Wert (doppelter oder dreifacher Hilfswert) anzusetzen.

 

Normenkette

RVG § 23 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Beschluss vom 21.02.2008; Aktenzeichen 1 BVGa 6/07)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 21. Februar 2008 – 1 BVGa 6/07 – wird zurückgewiesen.

2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

 

Tatbestand

I.

Im vorliegenden Beschlussverfahren begehrte der Betriebsrat im Wege der einstweiligen Verfügung, der Arbeitgeberin aufzugeben, Maßnahmen zur Durchführung einer Betriebsänderung vor Abschluss von Interessenausgleichsverhandlungen zu unterlassen. Das Verfahren wurde eingestellt, nachdem der Betriebsrat seine gegen die zurückweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts eingelegte Beschwerde zurückgenommen hatte.

Mit Schreiben vom 10.12.2007 beantragte der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats eine Festsetzung des Gegenstandswertes und regte an, auf die Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer, welche 117 betrug, abzustellen und für jeden Arbeitnehmer die Hälfte eines durchschnittlichen Monatsgehalts von EUR 3.500,00, d. h. insgesamt EUR 204.750,00 in Ansatz zu bringen.

Mit Schreiben vom 28.01.2008 kündigte das Arbeitsgericht an, den Gegenstandswert auf EUR 24.000,00 festzusetzen. Wegen der rechtlichen Erwägungen des Arbeitsgerichts wird auf das o. g. Schreiben (Bl. 181/182 d. A.) Bezug genommen.

Der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats führte daraufhin im Schreiben vom 04.02.2008 aus, die weitgehend schematische Ermittlung der wirtschaftlichen Bedeutung der Angelegenheit mit Hilfe einer Vervielfachung des Hilfswertes aus § 23 Abs. 3 RVG sei nicht ohne weiteres plausibel. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Entscheidung für die Arbeitgeberin seien anhand des Gesamtentgelts der Betroffenen zu ermitteln, wie das der Rechtsprechung einzelner Kammern des Rechtsmittelgerichts entspreche.

Mit Beschluss vom 21.02.2008 setzte das Arbeitsgericht den Gegenstandswert für das Verfahren auf EUR 24.000,00 fest. Der Beschluss wurde dem Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats am 25.02.2008 zugestellt.

Mit am 29.02.2008 eingegangenen Schriftsatz legte der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrates gegen den Beschluss Beschwerde ein, ohne einen Antrag zu stellen. Zur Begründung führte er aus, das Arbeitsgericht habe sich mit den Ausführungen im Schriftsatz vom 04.02.2008 nicht auseinander gesetzt und mit der Festsetzung des Gegenstandswertes weder das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei Betriebsänderungen angemessen berücksichtigt noch die Art der Betriebsänderung und ihre Folgen für den Betriebsrat und die betroffenen Arbeitnehmer. Wegen der weiteren Ausführungen des Beschwerdeführers wird auf die Beschwerdeschrift vom 28.02.2008 (Bl. 190 ff.) und den Schriftsatz vom 02.05.2008 (Bl. 224 ff.) verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat am 29.02.2008 beschlossen, der Beschwerde nicht abzuhelfen.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist von einem Antragsberechtigten (§ 33 Abs. 2 S. 2 RVG) innerhalb der 2-Wochenfrist des § 33 Abs. 3 S. 3 RVG eingelegt worden. Es fehlt zwar an einem Antrag, ohne den die Beschwerde unzulässig ist (vgl. nur Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl. 2008, § 33 Tz. 24). Der erforderliche Antrag kann jedoch aus der Beschwerdebegründung entnommen werden, in der der Beschwerdeführer auf seinen Schriftsatz vom 10.12.2007 verweist, in dem er eine Festsetzung auf EUR 204.750,00 vorgeschlagen hat.

2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht den Gegenstandswert für das vorliegende Verfahren auf EUR 24.000,00 festgesetzt.

Nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG ist der Gegenstandswert in Fällen der vorliegenden Art, soweit er nicht bereits feststeht, nach billigem Ermessen zu bestimmen. Die Wertfestsetzung nach billigem Ermessen kommt auch im Anwendungsbereich des § 23 Abs. 3 S. 2 RVG erst hinter allen sonstigen Bewertungsfaktoren zum Zuge. Wo ein objektiver Wert festgestellt werden kann, kommt es in erster Linie auf die Feststellung dieses Wertes an.

Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit steht im zugrunde liegenden Streitfall nicht fest i. S. des § 23 Abs. 3 S. 2 1. Halbsatz RVG. Dem vorliegen...

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