Leitsatz (amtlich)

Die Vorschrift des § 85 Abs. 2 ZPO ist für die nachträgliche Zulassung der Klage nach § 5 KSchG nicht anwendbar.

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Beschluss vom 19.11.1996; Aktenzeichen 22 Ca 508/96)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Hamburg vom 19. November 1996 – 22 Ca 508/96 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.

Der Beschwerdewert beträgt DM 14.100,–.

Gegen diesen Beschluß ist kein weiteres Rechtsmittel gegeben.

 

Tatbestand

I.

Von der Darstellung des Sachverhaltes wird in entsprechender Anwendung des § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den in der Beschlußformel aufgeführten Beschluß des Arbeitsgerichts Hamburg, der Beklagten am 27. November 1996 zugestellt, mit welchem die Klage gegen die dem Kläger am 22. August 1996 ausgesprochene und am 28. August 1996 zugegangene Kündigung nachträglich gemäß § 5 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz zugelassen worden ist, ist nach § 5 Abs. 4 Kündigungsschutzgesetz statthaft. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden und damit zulässig.

2. In der Sache selbst mußte der sofortigen Beschwerde der Beklagten jedoch der Erfolg versagt bleiben. Der Antrag des Klägers auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage ist zulässig und begründet. An der Zulässigkeit des klägerischen Antrages bestehen keine Bedenken. Auch die Begründetheit ist zu bejahen.

Allein entscheidende Frage im vorliegenden Fall ist, ob sich der Kläger das Verschulden des von ihm beauftragten Gewerkschaftssekretärs gemäß § 46 Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz in Verbindung mit § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muß. Diese Frage hat das Arbeitsgericht zu Recht verneint. Das Beschwerdegericht folgt der angefochtenen Entscheidung ohne Einschränkungen, so daß hierauf in entsprechender Anwendung des § 543 Abs. 1 ZPO verwiesen wird.

Auch im Hinblick auf das Vorbringen der Beklagten in der Beschwerdeinstanz wird von der Auffassung, daß sich der Arbeitnehmer das Verschulden des von ihm mit der Erhebung einer Kündigungsschutzklage beauftragten Vertreters (Rechtsanwalt oder Gewerkschaftssekretär) im Rahmen des § 5 Kündigungsschutzgesetz nicht zurechnen lassen muß, nicht abgewichen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Hamburg (vergl. nur die Entscheidungen vom 03. Juni 1985, LAGE § 5 Kündigungsschutzgesetz Nr. 19 und vom 22. Oktober 1986, MDR 1987, 875) ist die Vorschrift des § 85 Abs. 2 ZPO auf die nachträgliche Zulassung der Klage nach § 5 Kündigungsschutzgesetz nicht anwendbar, auch nicht entsprechend anwendbar. Es ist davon auszugehen, daß der gekündigte Arbeitnehmer alles in seiner Macht stehende getan hat, wenn er sich in der Frist des § 4 Kündigungsschutzgesetz an eine Person, die zur Wahrnehmung seiner Interessen geeignet ist, gewandt hat, so zum Beispiel an einen Rechtsanwalt. Wenn dies, wie vorliegend glaubhaft gemacht, geschehen ist, kann auch vom Normzweck des § 5 Kündigungsschutzgesetz her nicht angenommen werden, daß für Verschulden des Prozeßbevollmächtigten der Arbeitnehmer einstehen soll. Daß etwas anderes gelten kann, wenn die anwaltlichen Versäumnisse dem Arbeitnehmer erkennbar waren und er sie in ihrer Bedeutung würdigen konnte, gleichwohl jedoch nichts unternommen hat, um die Wahrung der Klagfrist sicherzustellen (vergl. nur LAG Hamm, EzA § 5 Kündigungsschutzgesetz Nr. 12), kommt vorliegend mangels Sachvortrags nicht zum Tragen.

Zur Bekräftigung dieser Rechtsprechung wird erneut auf folgendes hingewiesen: Die nachträgliche Zulassung der Klage nach § 5 Kündigungsschutzgesetz wird als ein in einem besonderen Verfahren ergehender Akt materiell-rechtlicher Nachsichtsgewährung verstanden, auf die § 85 Abs. 2 ZPO als prozessuale Frist nicht anwendbar ist. Weder der Wortlaut noch der Normzweck des § 5 Kündigungsschutzgesetz zwingen zur Übernahme des § 85 Abs. 2 ZPO (vergl. nur KR-Friedrich, 4. Auflage § 5 Kündigungsschutzgesetz Randnoten 70 ff mit zahlreichen Hinweisen auf die Rechtsprechung und Literatur; LAG Hamburg in ständiger Rechtsprechung, LAG Hamm in ständiger Rechtsprechung, vergl. hinsichtlich der Zitate Schaub, 8. Auflage § 136 II 3; LAG Berlin AP Nr. 2 zu § 5 Kündigungsschutzgesetz 1969). Es soll demjenigen Arbeitnehmer die nachträgliche Zulassung gewährt werden, der alles getan hat, um sich innerhalb der Frist gegen die Kündigung zu wehren. Er muß sich um seine Angelegenheiten kümmern. Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit sind nachteilig. Hat der Arbeitnehmer sich aber an geeignete Stellen wie etwa an einen Rechtsanwalt oder den zuständigen Gewerkschaftssekretär gewandt, so hat er im Sinne des § 5 Kündigungsschutzgesetz das seinerseits erforderliche getan. Es ist damit nicht einzusehen, warum er dann das Verschulden eines Prozeßbevollmächtigten auf sich nehmen soll (so zutreffend KR-Friedrich, a.a.O. § 5 Kündigungsschutzgesetz Randnote 70 mit weiteren Ausführungen dazu, daß die Einbeziehung des § 85 Abs. 2 ZPO in das n...

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