Entscheidungsstichwort (Thema)
Abbruch einer Betriebsratswahl im Wege der einstweiligen Verfügung
Leitsatz (amtlich)
Im Wege der einstweiligen Verfügung kann eine offensichtlich anfechtbare Wahl bei einem bewussten Verstoß des Wahlvorstandes gegen grundlegende Wahlvorschriften auch dann abgebrochen werden, wenn damit eine betriebsratslose Zeit eintritt. Ein solch schwerwiegender Verstoß liegt dann vor, wenn der Wahlvorstand trotz Kenntnis des dauerhaften Absinkens der Arbeitnehmerzahl aufgrund unternehmerischer Entscheidung auf erheblich unter 20 in nächster Zukunft entgegen § 9 BetrVG im Wahlausschreiben die Wahl eines dreiköpfigen Betriebrates vorsieht.
Normenkette
BetrVG § 9; ArbGG § 85 Abs. 2; ZPO §§ 935, 940
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Beschluss vom 13.04.2006; Aktenzeichen 26 GaBV 2/06) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 13. April 2006 – 26 GaBV 2/06 – abgeändert:
Der Antragsgegner wird verpflichtet, es zu unterlassen, das zur Zeit laufende Wahlverfahren zur Wahl eines dreiköpfigen Betriebsrates fortzusetzen.
Der Antragsgegner wird verpflichtet, ein neues Wahlausschreiben mit der Maßgabe zu erlassen, dass im Betrieb der Stiftung G., H., ein einköpfiger Betriebsrat zu wählen ist.
Tatbestand
I. Die Antragstellerin, die als Stiftung eine Einrichtung der beruflichen Bildung betreibt, verfolgt im Wege der einstweiligen Verfügung gegenüber dem bei ihr gebildeten Wahlvorstand den Abbruch einer Wahl eines dreiköpfigen Betriebsrates. Es besteht bei ihr ein dreiköpfiger Betriebsrat, der am 8. Mai 2002 gewählt worden war. Dieser hat den Antragsgegner zur Durchführung der regelmäßigen Wahl bestellt. Mitglieder des Wahlvorstandes sind ein Betriebratsmitglied, ein stellvertretendes Mitglied des Betriebsrates und eine weitere Person.
Am Donnerstag, dem 16. März 2006 wurde durch den Antragsgegner ein Wahlausschreiben ausgehängt, aus dem sich ergibt, dass am 27. April 2006 ein dreiköpfiger Betriebsrat zu wählen ist. Mit Schreiben vom 21. März 2006 wies die Antragstellerin darauf hin, dass im Wahlausschreiben eine falsche Betriebsratsgröße genannt sei. Unter dem 24. März 2006 erwiderte der Antragsgegner und teilte mit:
„Der Wahlvorstand wird Ihre Einwendungen prüfen und Ihnen seine Entscheidung unverzüglich mitteilen.”
Diese Mitteilung erfolgte am 30. März 2006. Der Wahlvorstand lehnte eine Änderung des Wahlausschreibens ab. Daraufhin ging am 7. April 2006 der vorliegende Antrag beim Arbeitsgericht Hamburg ein.
Zum Zeitpunkt des Wahlausschreibens beschäftigte die Antragstellerin nach ihren – durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemachten – Angaben 33 Arbeitnehmer, nach der Wählerliste 35 Arbeitnehmer. Von diesen Arbeitnehmern hatten vor Einleitung des Wahlverfahrens 18 Arbeitnehmer Aufhebungsverträge zum 14. Juni 2006 abgeschlossen. Mit vier weiteren Arbeitnehmern wurden vor Einleitung des Wahlverfahrens gerichtliche Vergleiche auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 14. Juni 2006 geschlossen.
Durch den der Antragstellerin am 21. April 2006 zugestellten Beschluss vom 13. April 2006, auf den zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht den Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die beabsichtigte Wahl zwar nicht offensichtlich nichtig, aber offensichtlich anfechtbar sei. Auch bei einer offensichtlich anfechtbaren Wahl sei der Erlass einer einstweiligen Verfügung möglich. Sie hätte jedoch auch bei Durchführung des vereinfachten Wahlverfahrens zur Folge, dass eine – wenn auch kurze – betriebsratslose Zeit eintreten würde, was bei einer Interessenabwägung auch deshalb nicht hinnehmbar sei, weil die Antragsstellerin zu lange mit der Antragseinlegung gewartet hätte.
Hiergegen richtet sich die am 18. April 2006 beim Landesarbeitsgericht Hamburg eingelegte und zugleich begründete Beschwerde der Antragstellerin.
Die Antragstellerin verweist darauf, dass der Antragsgegner die Verzögerung der Wahl zu vertreten habe, da er bereits mit ihrem Schreiben vom 21. März 2006 auf die falsche Bestimmung der Betriebsratsgröße hingewiesen worden sei. Es sei ihm offenbar schon zum damaligen Zeitpunkt darum gegangen, das Zeitmoment für seine Interessen zu nutzen, denn bei früherer Mitteilung seiner Rechtsauffassung wäre ein sogleich eingereichter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht mit dem Argument zurückgewiesen worden, es trete eine betriebsratslose Zeit ein. Mit zwischenzeitlich weiteren abgeschlossenen Beendigungsvereinbarungen würden ab dem Monat Juni 2006 noch insgesamt 7 Mitarbeiter beschäftigt, von denen dann 3 Mitglieder des Betriebsrates und 3 weitere Ersatzmitglieder wären.
Die Antragstellerin beantragt,
unter Änderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Hamburg vom 13. April 2006 – 26 GaBV 2/06 – den Antragsgegner zu verpflichten, es zu unterlassen, das zurzeit laufende Wahlverfahren zur Wahl eines dreiköpfigen Betriebsrates fortzusetzen und ihn zu verpflic...