Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwert. Gerichtliche Auflösung eines kraft Gesetzes entstandenen Arbeitsverhältnisses. Jugend- und Auszubildendenvertreter
Leitsatz (amtlich)
Bei einem Verfahren, das der Arbeitgeber nach § 78 a Abs. 4 Nr. 2 BetrVG eingeleitet hat, ist in der Regel der volle Streitwertrahmen des § 42 Abs. 4 S. 1 GKG auszuschöpfen, da mit dem Antrag die Auflösung eines bereits kraft gesetzlicher Fiktion (§ 78 a Abs. 2 S.1 BetrVG) begründeten unbefristeten Arbeitsverhältnisses begehrt wird.
Normenkette
BetrVG § 78a; RVG § 23 Abs. 3; GKG § 42 Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Beschluss vom 20.07.2006; Aktenzeichen 10 BV 4/06) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 2) – 4) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 20. Juli 2006 – 10 BV 4/06 – abgeändert und der Gegenstandswert für das Verfahren auf EUR 7.386,00 festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 2) – 4) ist nach § 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft, da der Beschwerdegegenstand EUR 200,00 übersteigt. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden und damit zulässig (§ 33 Abs. 3 S. 3 RVG).
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde ist auch begründet. Das Arbeitsgericht hat den Gegenstandswert für das vorliegende Beschlussverfahren lediglich in Höhe von zwei Bruttomonatsgehältern des Beteiligten zu 2) bei einem Bruttomonatsgehalt von EUR 2.462,00, d. h. auf EUR 4.924,00 festgesetzt. Nach Auffassung der Beschwerdekammer ist der Gegenstandswert für das Verfahren in Höhe von drei Bruttomonatsgehältern, d. h. auf EUR 7.386,00 festzusetzen.
Die Beteiligten stritten im vorliegenden Verfahren über die von der Arbeitgeberin/Beteiligte zu 1) beantragte Auflösung des zwischen der Beteiligten zu 1) und dem Beteiligten zu 2) gemäß § 78 a Abs. 2 S. 1 BetrVG begründeten unbefristeten Arbeitsverhältnis. Das Verfahren endete durch Rücknahme des Antrags, da die Beteiligte zu 1) mit dem Beteiligten zu 2) zwischenzeitlich einen unbefristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen hatte.
Bei dem Verfahren nach § 78 a Abs. 4 BetrVG handelt es sich um eine nicht vermögensrechtliche Streitigkeit im Sinne des § 23 Abs. 3 RVG. Da eine Gerichtskostenerhebung im betriebsverfassungsrechtlichen Beschlussverfahren nicht vorgesehen ist, fehlt auch eine gesetzliche Ausgestaltung hinsichtlich der zugrunde liegenden Streitwerte völlig. In diesen Fällen ist der Gegenstandswert nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG nach billigem Ermessen zu bestimmen. In Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung ist der Gegenstandswert bei nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten mit EUR 4.000,00, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über EUR 500.000,00 anzunehmen. Dabei obliegt der Beschwerdekammer nicht nur die Prüfung, ob das eingeräumte Ermessen richtig ausgeübt wurde oder ob Ermessensfehler vorliegen. Vielmehr kann das Beschwerdegericht eigenes Ermessen zur Ermittlung des Gegenstandswertes ausüben.
Im vorliegenden Verfahren liegen genügend tatsächliche Anhaltspunkte für eine individuelle Festsetzung im gesetzlichen Rahmen bis EUR 500.000,00 vor, so dass nicht auf den so genannten Hilfswert zurückgegriffen werden darf (LAG München vom 07.12.1995 = LAGE § 8 BRAGO Nr. 29).
Nach der Lage des Falles ist eine Bewertung des Gegenstandswertes anhand der Sach- und Rechtslage nach billigem Ermessen vorzunehmen. Dabei sind alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um einen Wert zu finden, der für den Rechtsanwalt angemessene und für den Auftraggeber tragbare Gebühren ergibt. Neben dem Umfang und der Schwierigkeit einer Sache und dem daraus resultierenden Aufwand für den Rechtsanwalt finden vor allem die Bedeutung der Angelegenheit für die Beteiligten, ihr ideelles und materielles Interesse bei der Gegenstandswertfestsetzung Berücksichtigung.
Vorliegend ergeben sich aus Umfang, Schwierigkeit oder Arbeitsaufwand der beteiligten Verfahrensbevollmächtigten keine Anhaltspunkte für die Wertfestsetzung. Die Bedeutung der Angelegenheit für die Beteiligten, ihr ideelles und materielles Interesse am Ausgang des Verfahrens, lassen es aber sachgerecht erscheinen, den Gegenstandswert in Anlehnung an § 42 Abs. 4 GKG n. F. (früher § 12 Abs. 7 S. 1 ArbGG) zu bewerten (für eine unmittelbare Anwendung des § 42 Abs. 4 GKG auf Verfahren nach § 78 a Abs. 4 BetrVG: GK-Wenzel, Stand März 2005, § 12 Rn. 479).
Dabei ist nach Auffassung der Beschwerdekammer bei einem Verfahren, das der Arbeitgeber – wie vorliegend – nach § 78 a Abs. 4 Nr. 2 BetrVG eingeleitet hat, in der Regel der volle Streitwertrahmen des § 42 Abs. 4 S. 1 GKG auszuschöpfen, da mit dem Antrag die Auflösung eines bereits kraft gesetzlicher Fiktion (§ 78 a Abs. 2 S. 1 BetrVG) begründeten unbefristeten Arbeitsverhältnisses begehrt wird. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts, das sich auf einen Beschluss des LAG Köln vom 20.02.2006 (Az.: 2 Ta 486/05), dem jedoch ein Antrag nach § 78 a Abs. 4 Nr. 1 BetrVG zugrunde lag, bezieht, steht jedenfalls ein Verfahre...