Entscheidungsstichwort (Thema)
Offensichtlich unzuständige Einigungsstelle zur “Ausgestaltung der überbetrieblichen Arbeitsschutzorganisation„. Unbegründeter Antrag des Gesamtbetriebsrats aufgrund fehlender Zuständigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG hat der Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Art der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäftigten zur Planung und Durchführung der erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes für eine geeignete Organisation zu sorgen. Derartige Maßnahmen unterliegen der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG (vgl. BAG, Beschluss vom 18. März 2014 - 1 ABR 73/12 -, Rn. 24, juris).
2. Der Gesamtbetriebsrat ist für die Mitbestimmung bei der Organisation des Arbeitsschutzes im Sinne von § 3 Abs. 2 ArbSchG im Regelfall nicht originär zuständig. Die Arbeitsschutzorganisation betrifft nicht das Gesamtunternehmen oder einheitlich mehrere Betriebe, sondern jeweils einzelne Betriebe. Eine betriebliche Regelungsmöglichkeit entfällt nicht deshalb, weil der Arbeitgeber eine überbetriebliche Arbeitsschutzorganisation geschaffen hat oder für zweckmäßig erachtet.
3. Eine Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand "Ausgestaltung der überbetrieblichen Arbeitsschutzorganisation" ist mangels Mitbestimmungsrechts des Gesamtbetriebsrats offensichtlich unzuständig.
Normenkette
ArbGG § 100; BetrVG § 50 Abs. 1, §§ 76, 87 Abs. 1 Nr. 7; ArbSchG § 3 Abs. 2, 2 Nr. 1; ArbGG § 100 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 28.02.2017; Aktenzeichen 1 BV 2/17) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 28. Februar 2017 - 1 BV 2/17 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Die Anträge des Gesamtbetriebsrats werden abgewiesen.
Die Beschwerde des Gesamtbetriebsrats wird zurückgewiesen.
Gründe
A.
Die Beteiligten streiten über die Einsetzung einer Einigungsstelle zur Regelung der überörtlichen Arbeitsschutzorganisation und des überörtlichen Arbeitsschutzmanagements im Unternehmen der Arbeitgeberin.
Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen des Textileinzelhandels, das bundesweit etwa 450 Filialen betreibt. In mindestens 100 dieser Filialen sind Betriebsräte gebildet, aus denen sich der antragstellende Gesamtbetriebsrat zusammensetzt. Die Arbeitgeberin beschäftigt einen Arbeitssicherheitskoordinator, dessen Aufgaben sich aus seiner Stellenbeschreibung ergeben (Anlage 11 - Bl. 53 d.A.). Außerdem besteht eine Sicherheitsabteilung (Anlage 12 - Bl. 54 d.A.). Ihr ist der Arbeitssicherheitskoordinator zugeordnet.
Mit E-Mail vom 19. August 2016 (Anlage 1 - Bl. 40 d.A.) übersandte der Gesamtbetriebsrat der Arbeitgeberin einen Fragenkatalog zur Organisation des Arbeitsschutzes und Gesundheitsmanagements. Hierauf sowie auf weitere Anfragen reagierte die Arbeitgeberin zunächst nicht.
Am 11. November 2016 (Anlage 5 - Bl. 45 d.A.) beschloss der Gesamtbetriebsrat, die Arbeitgeberin zu Verhandlungen über den Abschluss einer Gesamtbetriebsvereinbarung zur Ausgestaltung der überbetrieblichen Arbeitsschutzorganisation und des überbetrieblichen Arbeitsschutzmanagements aufzufordern. Sollte keine gütliche Einigung über das Zustandekommen einer Einigungsstelle erzielt werden, beauftragte der Gesamtbetriebsrat seine Verfahrensbevollmächtigten mit der Einleitung eines Einigungsstelleneinsetzungsverfahrens.
Mit Beschluss vom 25. November 2016 (Anlage 7 - Bl. 49 d.A.) erklärte der Gesamtbetriebsrat die Verhandlungen über den Abschluss einer Gesamtbetriebsvereinbarung zur Ausgestaltung der überbetrieblichen Arbeitsschutzorganisation und des überbetrieblichen Arbeitsschutzmanagements für gescheitert und teilte dies der Arbeitgeberin mit E-Mail vom selben Tage mit (Anlage 8 - Bl. 50 d.A.).
Erstmals mit E-Mail vom 12. Januar 2017 (Anlage 10 - Bl. 52 d.A.) wandte sich die Arbeitgeberin an den Gesamtbetriebsrat und verwies darauf, dass unklar sei, was unter überbetrieblicher Arbeitsschutzorganisation und überbetrieblichem Arbeitsschutzmanagement zu verstehen sei. In den vergangenen Jahren seien alle Mitbestimmungsrechte bezüglich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes von örtlichen Betriebsräten in Anspruch genommen worden.
Der Gesamtbetriebsrat hat vorgetragen, sein Antrag sei zulässig, insbesondere bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis, weil dem Antrag der erfolglose Versuch innerbetrieblicher Verhandlungen vorausgegangen sei, die er berechtigterweise für gescheitert erklärt habe.
Sein Antrag sei auch begründet, weil die Einigungsstelle nicht offensichtlich unzuständig sei. Er habe bei der Ausgestaltung der betrieblichen Arbeitsschutzorganisation und von Arbeitsschutzmanagementsystemen nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG in Verbindung mit § 3 Abs. 2 ArbSchG als ausfüllungsbedürftige Rahmenvorschrift mitzubestimmen. Ihm stehe auch ein Initiativrecht zu. Zwar sei für die Ausübung von Mitbestimmungsrechten grundsätzlich der örtliche Betriebsrat zuständig. Etwas anderes gelte aber dann, wenn der Arbeitgeber auf überbetrieblicher oder Unternehmense...