Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Beschluss vom 11.05.1993; Aktenzeichen 10 Ca 160/91) |
Tenor
Auf die Beschwerde von Herrn RA … wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Hamburg vom 11.05.1993 – 10 Ca 160/91 – wie folgt abgeändert:
Die vom Beschwerdeführer beantragten Differenzkosten sind festzusetzen und bis zur Höhe der Regelgebühren einzuziehen und an den Beschwerdeführer auszukehren.
Gründe
Die Beschwerde ist zulässig (§ 127 Abs. 2 ZPO) und auch begründet.
Nach wie vor streitig ist, ob die Kosten bereits gedeckt sind, wenn die Beträge, die die PKH-berechtigte Partei gezahlt hat, die Summe aus den Gerichtskosten und den verminderten Gebühren des im PKH-Verfahren beigeordneten Anwalts (§ 123 BRAGO) erreichen oder ob darüber hinaus auch die Regelgebühren eines nicht beigeordneten Anwalts gedeckt sein müssen.
Inzwischen entspricht es herrschender Meinung, daß die Kosten erst gedeckt sind, wenn auch die Regelgebühren eines nicht beigeordneten Anwalts von den einzuziehenden Raten befriedigt werden können. Wegen des Meinungsstands wird auf die Darstellung bei Zöller/Philippi, ZPO, 19. Aufl., 1995, Rz. 22 zu § 120, verwiesen. Nachdem sich nun auch dieser in der Praxis sehr gebräuchliche Kommentar von der noch in der Vorauslage vertretenen (Minder-)Meinung abgewendet hat, soll hier dessen Begründung wörtlich wiedergegeben werden a.a.O., Rz 22 a;
„Richtig ist die zweite Auffassung (d.i. die Mehrheitsmeinung). Nach § 124 I 1 BRAGO zahlt die Staatskasse dem beigeordneten Anwalt die Regelgebühren eines nicht beigeordneten Anwalts, soweit die von ihr eingezogenen Gelder den Betrag übersteigen, der zur Deckung der Gerichtskosten und der verminderten Anwaltsgebühren (§ 122 I Nr. 1) erforderlich ist. Folgte man der ersten Auffassung (d.i. die Mindermeinung), dann wäre § 124 BRAGO nur anwendbar, wenn der Rechtspfleger es versäumt hatte, rechtzeitig die vorläufige Einstellung der Zahlungen anzuordnen, die der PKH-Berechtigte zu leisten hatte. Daß dies der Sinn des § 124 BRAGO ist, kann man nicht annehmen (…). Ordnete der Rechtspfleger die Einstellung der Zahlungen schon an, wenn nur die verminderten Gebühren des beigeordneten Anwalts gedeckt sind, so erhielte der beigeordnete Anwalt auch in solchen Fällen nur ein nach § 123 BRAGO vermindertes Honorar, in denen das volle Honorar aus den 48 Monatsraten bezahlt werden könnte, die der PKH-Berechtigte schuldet. Die Staatskasse könnte in diesem Fall die Differenzkosten nicht bezahlen, weil ihr nicht genügend Mittel zugeflossen sind, und von seinem Mandanten dürfte der Anwalt nach § 122 I Nr. 3 die Differenzkosten nicht einfordern. Auch dies ist kein sinnvolles Ergebnis (…). Diese Konsequenz der ersten Meinung zeigen, daß sie unrichtig ist.”
Die Neuauflage von … (a.a.O.) kann sich für ihre geänderte Auffassung auf die neuste Auflage von Stein/Jonas/Bork (21. Aufl., Rz. 14 zu § 120 berufen sowie auf Wax in MünchKomm zur ZPO, 1993, Rz. 27 zu § 120).
Wenn hiermit die beschließende Kammer des LAG Hamburg der nunmehr herrschenden Auffassung aus den von Philippi (a.a.O.) aufgeführten Gründen den Vorzug gibt und damit von der Auffassung der Zweiten Kammer (Entsch. v. 16.05.1991 – 2 Ta 4/91 – LAGE ZPO § 120, 25) und der Vierten Kammer (Entsch. v. 09.06.1993 – 4 Ta 22/92) desselben Gerichts abweicht so hat das seinen Grund nicht in erster Linie darin, daß die gesetzliche Regelung eindeutig ist und die Gegenargumente ohne Belang sind. Es ist insbesondere die anzustrebende Einheitlichkeit, aber auch die größere Gerechtigkeit, die letztlich den Ausschlag für die hier, vertretene Auffassung gegeben haben. Daß beigeordnete Anwälte, sich auch dann mit den niedrigeren Gebühren begnügen sollen, wenn die PKH-berechtigte Partei zur Zahlung der Differenzkosten in der Lage ist, ist nicht einzusehen. Daß nach der hier vertretenen Auffassung beigeordnete Anwälte im Falle einer PKH-Bewilligung ohne Ratenzahlung sich auf jeden Fall mit den Gebühren nach § 123 BRAGO begnügen müssen, führt zwar zur Besserstellung beigeordneter Anwälte bei PKH-Bewilligung gegen Ratenzahlung. Diese Besserstellung läßt sich aber wegen der aufgezeigten Gesichtspunkte gut begründen. Sie ist daher vor allem auch nicht Willkürlich, zumal es gerechter ist, wenigstens einem Teil der PKH-Anwälte die Regelgebühren zukommen zu lassen, anstatt alle beigeordneten Anwälte auf die verminderten Gebühren nach § 123 BRAGO zu verweisen. Eine gerechte Vergütung der Anwälte ist auch sonst das Bestreben des Gesetzes bzw. der Gerichte, beispielsweise bei der Ermittlung des Gegenstandswerts nach § 8 Abs. 2 BRAGO im Fall einer nichtvermögenswerten Streitigkeit, wenn Schwierigkeit und Umfang der Sache in die Bewertung einfließen.
Abschließend ist darauf hinzuweisen, daß die besondere Tabelle zu § 124 BRAGO und die darin festgesetzten Gebühren durch das KostRÄndG 1994 bis zu einem Streitwert von DM 7.000,– den Gebühren des Wahlanwalts völlig angepaßt worden sind und daß bei Streitwerten bis DM 50.000,– eine merkliche Heranführung an die Wahlanwaltsgebühren erfolgt i...