Leitsatz (amtlich)

1. Die Beschwerdekammer folgt trotz der Kritik des Landesarbeitsgerichts Berlin in seinem Beschluß vom 15; August 1995 – 12 TaBv 2/95 – im Ergebnis der neueren Rechtsprechung des 7. Senats des Bundesarbeitsgerichts, nach der in reinen Ausbildungsbetrieben bzw. Berufsbildungswerken die Auszubildenen bzw. Rehabilitanden nicht zu den nach § 5 Abs. 1 BetrVG und § 60 Abs. 1 BetrVG wahlberechtigten und wählbaren Arbeitnehmern gehören (BAG, Beschluß vom 13 Mai 1992 – 7 ABR 72/91 – EzA § 5 BetrVG Nr. 54 und Beschluß vom 21. Juli 1993 – 7 ABR 53/92-SAE 1994, 257).

Es handelt sich dabei nicht um eine bloße einschränkende Auslegung von § 5 Absatz 1 und § 60 Absatz 1 BetrVG, sondern um eine nach Sinn und Zweck der Beteiligungsrechte des Betriebsrates nach dem Betriebsverfassungsgesetz gebotenen teleologischen Reduktion des Gesetzes.

2. Nach Auffassung der Beschwerdekammer bestehen erhebliche Zweifel, ob die Rechtskraft eines feststellenden Beschlusses zu Fragen des formellen Betriebsverfassungsrechts auch dann einer abweichenden Beurteilung in späteren Beschlußverfahren entgegensteht, wenn die der Entscheidung zugrundeliegende höchstrichterliche Rechtsprechung sich geändert hat.

 

Normenkette

BetrVG § 5 Abs. 1, § 60 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Beschluss vom 19.10.1994; Aktenzeichen 7 Bv 1/95)

 

Tenor

Die Beschwerde des Betriebsrates gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Hamburg vom 19. Oktober 1994 – 7 Bv 9/94 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

A.

Die Antragstellerin und Arbeitgeberin begehrt mit ihrem Antrag gemäß § 19 BetrVG die Feststellung der Unwirksamkeit der in ihrem Betrieb am 19. Mai 1994 durchgeführten Betriebsratswahl.

Gegenstand des Betriebes der Arbeitgeberin ist die berufliche Ausbildung behinderter Jugendlicher/junger Erwachsener im Rahmen von Rehabilitationsmaßnahmen. Maßnahmeträger ist in aller Regel die Bundesanstalt für Arbeit. Die Arbeitgeberin beschäftigt 142 Arbeitnehmer, davon 122 Angestellte und 20 Arbeiter. Ferner befinden sich 246 Rehabilitanden im Betrieb der Arbeitgeberin in der Berufsausbildung.

An der Betriebsratswahl vom 19. Mai 1994 nahmen neben den Arbeitnehmern der Arbeitgeberin auch die Rehabilitanden teil. Das Ergebnis der Betriebsratswahl wurde durch den Aushang vom 20. Mai 1994 bekannt gemacht (vgl. Anlage Ast. 1, Bl. 7 f. d.A.).

Der dem vorliegenden Verfahren zugrundeliegende Antrag der Arbeitgeberin ist am 31. Mai 1994 beim Arbeitsgericht eingegangen.

Durch Beschluß der 5. Kammer des Beschwerdegerichts vom 3. Juni 1991 – 5 TaBv 1/91 – ist festgestellt worden, daß die bei der Arbeitgeberin Beschäftigten, die zum 1. August 1990 im Rahmen der beruflichen Ausbildung aufgenommenen Rehabilitanden, Arbeitnehmer im Sinne von § 5 Abs. 1 BetrVG sind. Dieser Beschluß ist rechtskräftig geworden.

Die Arbeitgeberin hat geltend gemacht, die durchgeführte Betriebsratswahl sei gemäß § 19 BetrVG anfechtbar, weil bei der Durchführung der Wahl gegen wesentliche Grundsätze des Wahlrechts verstoßen worden sei. Die Rehabilitanden hätten an der Betriebsratswahl nicht teilnehmen dürfen, weil sie keine Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG seien. Entgegen dem Wahlausschreiben des Betriebsrates (Anlage Ast. 2, Bl. 9 f. d.A.) hätte deshalb nicht ein aus neun Mitgliedern bestehender Betriebsrat, davon 5 Arbeiter und 4 Angestellte gewählt werden müssen, sondern wegen der gebotenen Nichtberücksichtigung der Rehabilitanden ein nur aus 5 Mitgliedern bestehender Betriebsrat mit einem Vertreter der Arbeiter und vier Vertretern der Angestellten. Dem stehe auch nicht der rechtskräftige Beschluß der 5. Kammer des Beschwerdegerichts vom 3. Juni 1991 entgegen. Dieser Beschluß erfasse nach seinem eindeutigen Wortlaut nur die zum 1. August 1991 aufgenommenen Rehabilitanden.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

festzustellen, daß die Betriebsratswahl vom 19. Mai 1994 rechtsunwirksam ist.

Der Betriebsrat hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Betriebsrat hat geltend gemacht, die am 19. Mai 1994 durchgeführte Betriebsratswahl sei rechtswirksam erfolgt. Der Wahlvorstand habe die zu ihrer Ausbildung bei der Arbeitgeberin beschäftigten Rehabilitanden zu Recht als Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG angesehen. Zur näheren Begründung hat der Betriebsrat Ausführungen dazu gemacht, daß die insoweit geänderte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Frage des Status der Rehabilitanden in Berufsbildungswerken und überhaupt der Auszubildenden in reinen Ausbildungsbetrieben nicht überzeugend sei. Im übrigen sei durch den Beschluß der 5. Kammer des Beschwerdegerichts vom 6. Juni 1991 – 5 TaBv 1/91 – zwischen den Beteiligten rechtskräftig festgestellt worden, daß die bei der Arbeitgeberin zu ihrer Ausbildung beschäftigten Rehabilitanden Arbeitnehmer im Sinne von § 5 Abs. 1 BetrVG sind.

Das Arbeitsgericht hat durch seinen am 19. Oktober 1994 verkündeten Beschluß antragsgemäß festgestellt, daß die Betriebsratswahl vom 19. Mai 1994 rechtsunwirksam ist. Wegen der Begründung w...

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