Entscheidungsstichwort (Thema)
Altersdiskriminierung. Geltendmachungsfrist. Verschlechterungsverbot
Leitsatz (amtlich)
Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird gemäß Art. 234 EGV folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Verstößt eine nationale Gesetzgebung, nach der (außerhalb von kollektivrechtlichen Regelungen) zur schriftlichen Geltendmachung eines Schadens- und/oder Entschädigungsanspruches wegen Diskriminierung bei der Einstellung eine Frist von zwei Monaten nach Empfang der Ablehnung (oder im Wege der Auslegung: nach Kenntnis der Diskriminierung) gilt, gegen Primärrecht der EG (Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes) und/oder das gemeinschaftsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung, Richtlinie 2000/78/EG vom 27. November 2000, wenn für gleichwertige Ansprüche nach nationalem Recht dreijährige Verjährungsfristen gelten und/oder das Verschlechterungsverbot gemäß Art. 8 der Richtlinie 2000/78/EG, wenn eine frühere nationale Vorschrift bei der Diskriminierung wegen des Geschlechts eine längere Ausschlussfrist vorsah?
Normenkette
AGG § 15; EGV Art. 234
Tenor
I. Das Verfahren wird ausgesetzt.
II. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird gemäß Art. 234 EGV folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Verstößt eine nationale Gesetzgebung, nach der (außerhalb von kollektivrechtlichen Regelungen) zur schriftlichen Geltendmachung eines Schadens- und/oder Entschädigungsanspruches wegen Diskriminierung bei der Einstellung eine Frist von zwei Monaten nach Empfang der Ablehnung – oder im Wege der Auslegung: nach Kenntnis der Diskriminierung – gilt, gegen Primärrecht der EG (Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes) und/oder das gemeinschaftsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung, Richtlinie 2000/78/EG vom 27. November 2000, wenn für gleichwertige Ansprüche nach nationalem Recht dreijährige Verjährungsfristen gelten und/oder das Verschlechterungsverbot gemäß Art. 8 der Richtlinie 2000/78/EG, wenn eine frühere nationale Vorschrift bei der Diskriminierung wegen des Geschlechts eine längere Ausschlussfrist vorsah?
Tatbestand
A. Sachverhalt
Die Parteien streiten über Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche der Klägerin aufgrund einer von ihr angenommenen Diskriminierung wegen ihres Lebensalters im Zusammenhang mit einer Bewerbung bei der Beklagten.
Die … 1966 geborene Klägerin ist seit längerer Zeit arbeitslos und arbeitsuchend. Mit Schreiben vom 16. November 2007 bewarb sie sich bei der Beklagten (Anlage A 1, Bl. 7 ff d.A.). Am Montag, den 19. November 2007, telefonierte die Klägerin mit einem Mitarbeiter der Beklagten, der ihr absagte. Der weitere Inhalt des Gesprächs ist zwischen den Parteien streitig.
Mit handschriftlichem Absender erhielt die Klägerin mit Poststempel vom 21.11.2007 ihre Bewerbungsunterlagen zurück. Beigefügt war eine handschriftliche kurze Notiz, dass alle Plätze belegt seien (Anl. A 3, Bl. 16 d.A.).
Beworben hatte sich die Klägerin aufgrund einer Anzeige der Beklagten, die diese in einer Zeitung geschaltet hatte (Anl. A 4, Bl. 17 d.A.). Dort heißt es:
„Call Center Agents
Wir suchen für unser junges Team in der City motivierte Mitarbeiter/innen. Du telefonierst gern? Dann bist du genau richtig bei uns. Wir geben Dir die Möglichkeit sogar damit Geld zu verdienen. Du bist zwischen 18 – 35 Jahre alt und verfügst über gute Deutschkenntnisse und suchst eine Vollzeitaufgabe? …”
In einer weiteren Anzeige der Beklagten vom 22. November 2007 betreffend die Stelle eines Call Center Agents (Anl. A 6, Bl. 62 d.A.) heißt es u.a.:
„Sie sind vorzugsweise zwischen 18 und 35 Jahre alt…”
Noch im Jahre 2008 folgten ähnliche Stellenanzeigen der Beklagten (9. April 2008 Anl. A 5, Bl. 36 d.A.; 3. September 2008 „junges Team” Anl. A 8, Bl. 64 d.A.; 10. September 2008 für den Vertrieb „zwischen 18 und 30 Jahre alt” Anl. A 9, Bl. 65 d.A.).
Tatsächlich eingestellt wurden – statt der Klägerin – am 19. November 2007 zwei Frauen geboren im Jahre 1985 bzw. 1987 („Praktikantenverträge” Anl. B1, B2, Bl. 71, 72 d.A.)
Die Klägerin hat am 29. Januar 2008 Klage erhoben. Eine vorherige Geltendmachung gegenüber der Beklagten ist nicht erfolgt.
Die Klägerin hat vorgetragen, aufgrund ihres Alters diskriminiert worden zu sein. Aufgrund ihrer Tätigkeiten und Erfahrungen und ihrer Ausbildung im Telefonbereich sei sie die Bestqualifizierte gewesen. Die Anzeige der Beklagten mit der Nennung des Maximalalters von 35 Jahren verstoße gegen § 7 AGG. Diese diskriminierende Stellenausschreibung sei ein Indiz dafür, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes – hier das Alter – vermutet werden könne. Sie selbst überschreite mit ihren 41 Jahren das von der Beklagten genannte Maximalalter. Telefonisch sei ihr zudem am 19. November 2007 mitgeteilt worden, sie entspreche nicht dem Bewerberprofil, deshalb müsse man ihr leider absagen. Die Beklagte habe eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von EUR 5.079,- zu zahlen (Entgelt für drei Monate bei einem Stundenlohn von EUR 11,- und 173 ...