Entscheidungsstichwort (Thema)

Dynamische Bezugnahmeklausel. Verbandsaustritt

 

Leitsatz (redaktionell)

Die im Arbeitsvertrag vereinbarte dynamische Bezugnahme auf den für den Betrieb einschlägigen Tarifvertrag bedeutet i.d.R. eine Gleichstellungsabrede. Teilt der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern nach Verbandsaustritt aber mit, auch zukünftig bleibe die Tarifbindung als Mindeststandard erhalten, so liegt hierin eine Gesamtzusage.

 

Normenkette

TVG § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Urteil vom 20.08.2003; Aktenzeichen 23 Ca 242/03)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 20. August 2003 – 23 Ca 242/03 – wird zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Frage, ob die Bestimmungen der Tarifverträge der Metallindustrie Hamburgs und Umgebung nach wie vor auf ihr Arbeitsverhältnis Anwendung finden.

Der Kläger ist seit dem 26.1.1978 bei der Beklagten als Karusselldreher beschäftigt. Es ist Mitglied der Gewerkschaft IG-Metall. Die Beklagte trat zum 31.12.1999 aus dem Tarifverband Nordmetall aus und ist seitdem nicht mehr tarifgebunden.

Im Arbeitsvertrag des Klägers wurde vereinbart:

„Die Bestimmungen der einschlägigen Tarifverträge und -abkommen des Verbandes der Metallindustrie Hamburgs und Umgebung e.V… sind Bestandteil dieses Vertrages…”

In einem Rundschreiben der Beklagten an ihre Mitarbeiter aus März/April 2000 heißt es u. a.:

„Nochmals, durch die Beendigung der Tarifbindung des Unternehmens haben wir in Einzelfällen die Möglichkeit zur individuellen Gestaltung der Arbeitsbedingungen mit dem Ziel zu mehr Kundenorientierung und Steigerung der Konkurrenzfähigkeit durch Flexibilität des Unternehmens.

Folgende Bedingungen werden respektiert:

  • Keine Gehalts- und Lohnkürzungen
  • Wöchentliche Arbeitszeit 35 Stunden
  • Einhaltung der Tarifbedingungen als Minimum.

Es besteht daher absolut kein Grund zu irgendeiner Sorge, da die Ansprüche vertraglich abgesichert sind…”

Der Lohntarifvertrag für die Metallindustrie Hamburg und Umgebung, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein vom 24.5.2002 sieht in Ziffer 2 einen Pauschalbetrag in Höhe von 120,– EUR als Lohnerhöhung für den Monat Mai 2002 vor. Die Beklagte hat hierauf einen Betrag von 43,– EUR gezahlt. Gemäß Ziffer 3 erhöht sich mit Wirkung ab 1. Juni 2002 das Tarifvolumen um insgesamt 4%, hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Vereinbarung wird Bezug genommen auf die Anlage B 4 (Blatt 122 ff der Akte).

Der Kläger hat vorgetragen, kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung fände der Lohntarifvertrag für die Metallindustrie Hamburg und Umgebung weiterhin Anwendung. Der Verbandsaustritt der Beklagten ändere hieran nichts. Die Vertragsklausel sei nicht als Gleichstellungsabrede anzusehen, sondern die in Bezug genommenen Tarifverträge hätten in jedem Falle gelten sollen. Außerdem habe der Geschäftsführer der Beklagten auf den Betriebsversammlungen vom 26.8.1999, 7.6.2000 und 17.5.2001 die Zusage erteilt, dass die Tarifverträge auch zukünftig als Mindeststandard eingehalten würden. Es stünde ihm daher für den Monat Mai 2002 noch der Rest der Pauschalzahlung in Höhe von EUR 77,– brutto zu. Außerdem ergäben sich aus den anderen Änderungen des Lohntarifvertrages noch weitere Ansprüche in Höhe von EUR 418,– brutto.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 495,– EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, die Bezugnahme im Arbeitsvertrag sei nur als Gleichstellungsabrede anzusehen. Der Vortrag des Klägers zu den Zusagen der Geschäftsleitung auf den Betriebsversammlungen sei ungenau.

Durch das den Parteien am 1.9.2003 zugestellte Urteil vom 20.8.2003, auf das zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht der Klage im Umfang von 77,– EUR brutto nebst Zinsen stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass Rundschreiben der Beklagten aus den Monaten März/April 2000 sei nach §§ 133, 157 BGB als Gesamtzusage auszulegen. Ausgehend vom Empfängerhorizont des Klägers sei diese Erklärung nur als Angebot dahingehend zu verstehen, dass auch weiterhin die Anwendung der Tarifverträge außer Frage stehe. Es werde der Wille der Beklagten deutlich, auch zukünftig die Tarifbedingungen als Minimum zu akzeptieren, sofern die Tarifverträge vertraglich in Bezug genommen seien. Auf Grund der Gesamtzusage könne dahinstehen, ob die vertragliche Bezugnahmeklausel als Gleichstellungsabrede im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auszulegen sei oder nicht. Im Übrigen bestehe kein Zahlungsanspruch, denn es fehle an einem hinreichend substantiierten Vortrag.

Hiergegen richtet sich die vom Arbeitsgericht zugelassene Berufung beider Parteien. Die Berufung des Klägers ist eingegangen am 18. September 2003 und wurde mit Schriftsatz, eingehend beim Landesarbeitsgericht am 27. November 2003, be...

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