Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsrentenanpassung aufgrund einer Gesamtbetriebsvereinbarung mit Anpassungsvorbehalt. Zahlungsklage auf wiederkehrende Leistungen bei unzureichenden Darlegungen der Arbeitgeberin zu den finanziellen Gründen ihrer Anpassungsentscheidung

 

Leitsatz (amtlich)

Ist in einer Gesamtbetriebsvereinbarung vorgesehen, dass der Vorstand von einer in der Vereinbarung vorgesehenen Erhöhung der Betriebsrente entsprechend der Erhöhung der gesetzlichen Altersrente absehen kann, wenn er diese nicht für vertretbar hält, bedarf dieses auf das Unternehmen bezogener wirtschaftlicher und in der Regel finanzieller Gründe.

 

Normenkette

BetrAVG § 16; BetrVG §§ 77, 77 Abs. 4 S. 1; BGB §§ 133, 157; ZPO § 258

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 09.03.2017; Aktenzeichen 11 Ca 332/16)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 20.08.2019; Aktenzeichen 3 AZR 167/18)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 9. März 2017 (11 Ca 332/16) teilweise abgeändert und unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger beginnend mit dem 1. September 2016 über den Betrag von Euro 3.910,58 brutto hinaus jeweils zum 1. eines Monats einen Betrag in Höhe von Euro 170,10 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag von Euro 940,68 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtskraft zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt 20 Hundertstel der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens, die Beklagte 80 Hundertstel.

Für die Beklagte wird die Revision zugelassen, nicht aber für den Kläger.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe der Anpassung von Versorgungsbezügen zum 1. Juli 2015 und 1. Juli 2016.

Der Kläger war bis zum 31. Dezember 2008 bei einem Unternehmen des B.-Konzerns, der Rechtsvorgängerin der Beklagten, beschäftigt, zuletzt in Hamburg.

Das Arbeitsverhältnis wurde durch einen schriftlichen Aufhebungsvertrag (Anlage B 2 zum Schriftsatz der Beklagten vom 11. Januar 2017, Bl 160 bis 163 d.A.) beendet, in dem unter anderem vorgesehen ist:

"9.

Die Gesellschaft gewährt Herrn X., unabhängig von der Höhe außerbetrieblicher Leistungen oder Leistungen der Versorgungskasse der B. VVaG mit Beginn des Kalendermonats, von dem ab er erstmals eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, ggf. auch mit Abschlägen, oder eine mit ihr vergleichbare Leistung (Leistung einer Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung oder eines Versicherungsunternehmens, wenn der Arbeitnehmer von der Versicherungspflicht befreit ist, sowie Knappschaftsausgleichsleistungen oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art) in Anspruch nehmen kann, eine monatliche Rente von 3.133,32 Euro brutto. Diese Rente wird in der Folge nach den jeweils maßgebenden betrieblichen Versorgungsregelungen angepasst."

Seit dem 1. Mai 2015 bezieht er von der Beklagten Versorgungsbezüge, die jeweils im Voraus für den laufenden Monat gezahlt werden.

Die betriebliche Altersversorgung des Klägers ist durch die Bestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerkes (im Folgenden "BVW") in Form von Betriebsvereinbarungen in der Fassung vom 19. April 2002 geregelt. Die Beklagte leistet an den Kläger danach Gesamtversorgungsbezüge, die sich unter Berücksichtigung der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung aus Leistungen einer Versorgungskasse (im Folgenden: "V1-Rente") und einer sog. Pensionsergänzung (im Folgenden "V2-Rente") zusammensetzen.

Zur Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezüge ist unter § 6 der Ausführungsbestimmungen zum BVW unter der Überschrift "Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezüge an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse" Folgendes geregelt:

"1. Die Gesamtversorgungsbezüge werden jeweils entsprechend der gemäß § 49 AVG vorgegebenen Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst. (Der § 49 AVG ist durch Artikel Ziffer 1 §§ 65 und 68 SGB (VI) neu gefasst worden. Die Änderung ist am 01.01.1992 in Kraft getreten).

2. Die Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge erfolgt zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung verändert werden.

3. Hält der Vorstand die Veränderung der Gesamtversorgungsbezüge nach Ziffer 1 nicht für vertretbar, so schlägt er nach Anhören der Betriebsräte / des Gesamtbetriebsrates dem Aufsichtsrat zur gemeinsamen Beschlussfassung vor, was nach seiner Auffassung geschehen soll. Der Beschluss ersetzt die Anpassung gemäß Ziffer 1."

Zum 1. Juli 2015 wurden die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung um 2,0972 % erhöht. Im Zeitraum Juni 2014 bis Juni 2015 erhöhte sich der Verbraucherpreisindex (VPI) von 106,7 auf 107,0, also um 0,281 %.

Die Beklagte nahm keine Anpassung der Versorgungsbezüge im Umfang der gesetzlichen Rentenerhöhung vor, sondern fasste nach der vor dem 1. Juli 2015 eingeleiteten Anhörung der örtlichen Betriebsräte, des Gesamt- und des Konzer...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge