Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsübergang. Forschungsschiff. Heuerverhältnis

 

Leitsatz (amtlich)

1. Übergang des Heuerverhältnisses im Wege des Teilbetriebsüberganges. Mit der Übertragung von Forschungsschiffen von der Eigentümerin auf den Bereederer auf Grund eines Wechsels in der Bereederung durch Abschluss eines Bereederungsvertrages sind auch die Arbeitsverhältnisse der auf den Schiffen eingesetzten Besatzungsmitglieder auf den Bereederer übergegangen.

2. Bei einem Seeschiff handelt es sich nicht um ein einzelnes Betriebsmittel, sondern um eine Gesamtheit verschiedenster Gegenstände, die mit Hilfe einer arbeitsteilig eingesetzten Gruppe von Arbeitnehmern zur Verwirklichung eines auf Dauer angelegten eigenständigen arbeitstechnischen Zwecks eingesetzt wird.

3. Die Forschungsschiffe sind im Sinne des § 613a BGB übergegangen, auch wenn die Beklagte nicht das Eigentum an den Schiffen erworben hat, sondern diese nur auf Grund eines Bereederungsvertrages übernimmt. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wie auch des Europäischen Gerichtshofs zum Betriebsübergang beim Pächterwechsel sind einem Betrieb auch solche Gebäude, Maschinen, Werkzeuge oder Einrichtungsgegenstände als sächliche Betriebsmittel zuzurechnen, die nicht im Eigentum des Betriebsinhabers stehen, sondern die dieser aufgrund einer mit Dritten getroffenen Nutzungsvereinbarung zur Erfüllung seines Betriebszwecks einsetzen kann. Die Nutzungsvereinbarung kann als Pacht, Nießbrauch oder als untypischer Vertrag ausgestaltet sein. Wesentlich ist, dass dem Berechtigten Betriebsmittel zur eigenwirtschaftlichen Nutzung überlassen sind. Erbringt der Auftragnehmer dagegen nur eine (Dienst-)Leistung an fremden Geräten und Maschinen innerhalb fremder Räume, ohne dass ihm die Befugnis eingeräumt ist, über Art und Weise der Nutzung der Betriebsmittel in eigenwirtschaftlichem Interesse zu entscheiden, können ihm diese Betriebsmittel nicht als eigene zugerechnet werden. Maßgebliches Unterscheidungskriterium für die Frage, ob im Eigentum des Auftraggebers stehende Arbeitsmittel Betriebsmittel des sie nutzenden Auftragnehmers sind, ist die Art der vom Auftragnehmer am Markt angebotenen Leistung. Da eine wertende Zuordnung vorzunehmen ist, ist eine typisierende Betrachtungsweise zulässig.

 

Normenkette

BGB § 613a

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Urteil vom 27.07.2004; Aktenzeichen S 1 Ca 60/04)

 

Tenor

Die Berufungen der Beklagten und der Nebenintervenientin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 27. Juli 2004 – S 1 Ca 60/04 – werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte mit ausnahme durch die Nebenintervenientin verursachter Kosten, die letztere zu tragen hat.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren darüber, ob das Heuerverhältnis des Klägers von der Reederei R. GmbH auf die Beklagte durch Betriebsübergang übergegangen ist. Ferner nimmt der Kläger die Beklagte auf Beschäftigung und auf Zahlung von Heuer für die Monate Januar bis einschließlich April 2004 in Anspruch.

Die Reederei R. GmbH bereederte bis zum 31. Dezember 2003 neben den beiden großen Forschungsschiffen „M” und „S” die drei so genannten mittelgroßen Forschungsschiffe, und zwar „A” „H” und „P”

Mit Bestätigungsschreiben vom 22. Januar 1996 hielt die R. GmbH für den Kläger Folgendes fest:

„Hiermit bestätigen wir, dass wir Sie erneut zum 1. Februar 1996 als Koch 5. – 7. J einstellen.

Ihr Einsatz ist auf dem Forschungsschiff FS „H”.

Sie akzeptieren ausdrücklich, dass Sie auf allen von der R. GmbH bereederten Einheiten eingesetzt werden können.

Für das Dienstverhältnis ist der MTV – See maßgebend mit folgenden Ausnahmen: Alle Einzelüberstundenempfänger erhalten monatlich höchstens die auf dem Heuerschein angegebenen maximalen Überstunden bezahlt.

…”.

Im Übrigen wird auf die Anlage K 1 (Bl. 11 d.A.) verwiesen.

Seine monatliche Bruttoheuer beziffert der Kläger mit Euro 3.177,81.

Nachdem der Auftraggeber den Bereederungsvertrag für die drei mittelgroßen Forschungsschiffe zunächst zum 31. Dezember 2002 gekündigt hatte, wurde der Vertrag, befristet bis zum 31. Dezember 2003, fortgesetzt. Der Bereederungsvertrag hat zu diesem Zeitpunkt geendet. Das Ausschreibungsverfahren für die Bereederung der drei Forschungsschiffe „A” „H” und „P” führte dazu, dass nicht die Reederei R. GmbH, sondern die Beklagte den Zuschlag für die Bereederung der Schiffe erhielt gemäß Beschluss der Vergabekammer bei der Finanzbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg vom 14. August 2003 – Az.: VgK FB 3/03 –. Das Hanseatische Oberlandesgericht hat durch Beschluss vom 3. November 2003 – Az.: 1 Verg 3/03 – die sofortige Beschwerde gegen den vorgenannten Beschluss der Vergabekammer zurückgewiesen.

Mit Schreiben vom 16. Dezember 2003 wurde der Kläger von der Reederei R. GmbH über den mit der Übertragung der Bereederung der mittelgroßen Forschungsschiffe nach ihrer Auffassung verbundenen Teilbetriebsübergang auf die Beklagte informiert. Der Kläger hat dem Teilbetriebsüber...

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