Entscheidungsstichwort (Thema)

Begriff des “Kurtages" in den Sonderregelungen für Regenerationskuren der Fluglotsen

 

Leitsatz (amtlich)

§ 26 SR FS-Dienste ist dahingehend auszulegen, dass die Kurtage dem Mitarbeiter vollständig in der Kureinrichtung zur Verfügung stehen müssen. An- und Abreisetage sind keine Kurtage im Sinne der Regelung.

 

Normenkette

TV-Sonderregelungen FS-Dienste § 26; BGB § 133

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 22.06.2016; Aktenzeichen 28 Ca 449/15)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 22.06.2016 (28 Ca 449/15) wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Umfang der nach § 26 der Sonderregelungen 2012 für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den operativen FS-Diensten (SR FS-Dienste) vom 23.03.2012 geregelten Regenerationskuren für Lotsinnen, Lotsen und Supervisors Flugverkehrskontrolldienst.

Wegen des Sach- und Streitstands in erster Instanz wird gemäß § 69 II ArbGG auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil (Bl. 130 - 131 d.A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Entscheidungsgründe (Bl. 132 - 136 d.A) wird ebenfalls Bezug genommen.

Gegen das am 22.06.2016 verkündete und den Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 13.07.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 29.07.2016 Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 13.10.2016 - an diesem Tag begründet.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Sachvortrag. Die gesamte Auslegung der ersten Instanz vermöge nicht zu überzeugen. Das Arbeitsgericht habe die Grundsätze zur Auslegung von Tarifnormen zwar zutreffend zitiert, jedoch unrichtig angewendet. Der Tarifvertrag enthalte keine ausdrückliche Definition des Begriffs Regenerationskur. Allerdings sprächen im Rahmen der Auslegung die besseren Argumente dafür, An- und Abreisetage als Bestandteil der Regenerationskur zu verstehen und in ihren Zeitraum einzuberechnen. Bereits beim unbefangenen Durchlesen der Vorschrift erscheine ein Verständnis, wonach die Reisezeiten in die Kurzeiten einzubeziehen seien, etwa vergleichbar zu Urlaubsregelungen oder zu Leistungen der medizinischen Rehabilitation gemäß § 40 SGB V, eher nachvollziehbar. Entscheidend sei jedoch, dass der Wortlaut der Vorschrift keinerlei Hinweis darauf enthält, dass als Kurtage nur ganze Kalendertage vor Ort zu bewerten seien. Hiergegen spreche, dass während der Kur auch anwendungsfreie Tage geplant werden könnten, die unstreitig Bestandteil der Kur seien. Schließlich sei Gegenstand der tariflichen Regelung keine Rehabilitationskur im streng medizinischen Sinne gemäß § 40 SGB V. Vielmehr handele es sich um eine Maßnahme mit Vorsorgecharakter, welche der Erhaltung der Einsatzfähigkeit der Mitarbeiter diene. Keinesfalls seien ganztätige Anwendungen erforderlich, so dass auch An- und Abreisetag zweckentsprechend genutzt werden könnten.

Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts ergäben sich auch aus der Systematik des Tarifvertrags keine Argumente für die Position des Klägers. Dass § 26 VII SR FS-Dienste eine pauschale Zeitgutschrift für die An- und Abreise vorsehe, bedeute keineswegs, dass die dafür erforderlichen Zeiten nicht der Regenerationskur zuzurechnen seien. Es handele sich um eine pauschale Zuwendung, um den Arbeitnehmern unabhängig vom konkreten Zeitpunkt der An- und Abreise über die bezahlte Freistellung hinaus einen Vorteil zu gewähren. Reisezeiten seien entweder der regelmäßigen Arbeitszeit zuzurechnen oder der Regenerationskur. Keinesfalls hätten die Tarifvertragsparteien beabsichtigt, eine dritte Kategorie von Zeiten einzuführen. § 27 VII SR FS-Dienste habe Reisezeiten im Zusammenhang mit Regenerationskuren deutlich anders geregelt als diese § 9 III MTV für Reisezeiten im Zusammenhang mit Arbeitszeit.

Insbesondere Sinn und Zweck der Vorschrift ergäben keine zwingende Notwendigkeit, Tage mit An- oder Abreise nicht als Kurtage zu bewerten. Da es keinerlei Vorgaben für An- und Abreise gäbe, könne der Mitarbeiter die Zeitpunkte so wählen, dass die Tage jedenfalls teilweise für Anwendungen oder sonstige Regenerationsmaßnahmen zur Verfügung stünden. Auch hier sei wieder zu berücksichtigen, dass es während der mehrwöchigen Kuren stets auch anwendungsfreie Tage gäbe. Schließlich spreche für die Auslegung der Beklagten auch, dass der Mitarbeiter durch die Wahl eines mehr oder weniger weit entfernten Kurortes und durch die Wahl des Verkehrsmittels, mit dem er reise, wesentlichen Einfluss darauf haben, den An- und Abreisetagen bereits Erholungscharakter zu verleihen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung (Bl. 172 - 191 d.A.) und den ergänzenden Schriftsatz vom 23.02.2017 (Bl. 215 - 228 d.A.) Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweise...

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