Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsauslegung. Arbeitsvertragliche Regelung. Bestimmung des Arbeitsumfangs
Leitsatz (redaktionell)
Die Auslegung einer arbeitsvertraglichen Regelung im Vertrag einer Solo-Bratschistin, wonach diese verpflichtet ist „je Spielzeit 75 % der Tuttidienste der Bratschen zu leisten”, ergibt, dass sie verpflichtet ist, während einer Spielzeit 75 % der durchschnittlichen geleisteten Tutti-Dienste der Bratschen zu leisten, nicht jedoch 75 % der nach § 15 des Tarifvertrags für die Musiker in Kulturorchestern vom 01.07.1971 tariflich zulässigen Tutti-Dienste.
Normenkette
BGB §§ 133, 157; TVG § 1
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Urteil vom 26.02.2002; Aktenzeichen 25 Ca 317/01) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 26. Februar 2002 – 25 Ca 317/01 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Umfang der von der Klägerin zu leistenden Dienste, insbesondere darüber, ob sich die vereinbarte Diensterleichterung von 75 % auf die Solldienste der Vergleichsgruppe der Tuttisten oder auf deren tatsächlich angefallene Istdienste bezieht.
Die Klägerin, Mitglied der Deutschen Orchestervereinigung, ist Solo-Bratschistin im Philharmonischen Staatsorchester der Freien und Hansestadt Hamburg, zuletzt gegen ein Bruttomonatseinkommen von DM 13.000.
Basis der arbeitsrechtlichen Beziehungen der Parteien ist der Arbeitsvertrag aus März 1993 (Anlage K 1, Bl. 6 f. d.A.) nebst der Nebenvereinbarung vom selben Monat (Anlage K 2, Bl. 8 f. d.A.).
Im Arbeitsvertrag der Parteien heißt es u. a.:
„§ 1
Frau A. wird – soweit in diesem Vertrag nichts anderes vereinbart ist – nach Maßgabe des Tarifvertrages für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) vom 1. Juli 1971 in der jeweils geltenden Fassung und den ihn ergänzenden, ändernden oder an seine Stelle tretenden Tarifverträgen ab 1. September 1993 auf unbestimmte Zeit als erste Solo-Bratschistin beim Philharmonischen Staatsorchester eingestellt …
§ 3
[1] Für die Berechnung der monatlichen Dienstbezüge gilt folgende Regelung:
a) Die Grundvergütung wird auf 150 v. H. der jeweiligen Endgrundvergütung eines Tuttispielers festgesetzt …
§ 5
Frau A. ist verpflichtet, je Spielzeit 75 v.H. der Tuttidienste der Bratschenzuleisten …”.
Vom Zeitpunkt der Einstellung der Klägerin an bis jedenfalls zum Herbst 1999 hat die Beklagte bei der Berechnung der Tutti-Dienste auf die von den Tuttisten tatsächlich geleisteten Dienste abgestellt.
Nach einer Prüfung durch den Rechnungshof im Jahre 1999 wurde die Beklagte aufgefordert, die tarifvertraglichen Regelungen des § 5 TVK konsequent umzusetzen.
In § 15 TVK heißt es u. a.:
„(1) Dienst ist die Mitwirkung des Musikers in Aufführungen und Proben.
(2) Die Anzahl der Dienste des Musikers richtet sich nach der Größe und den Aufgaben des Kulturorchesters. Der Musiker ist verpflichtet, im Durchschnitt von 8 Kalenderwochen bzw. bei Konzertorchestern von 16 Kalenderwochen – nachfolgend Ausgleichszeitraum genannt wöchentlich höchsten acht Dienste zu leisten. Enthält ein Ausgleichszeitraum zahlenmäßig überwiegend Aufführungen von Werken, die nach der Partitur als schwierig zu beurteilen sind, hat der Musiker in diesem Ausgleichszeitraum im Durchschnitt wöchentlich höchstens sieben Dienste zu leisten.
Die Ausgleichszeiträume sind aufeinander folgende Zeiträume. Der erste Ausgleichszeitraum beginnt mit dem ersten Montag nach dem Ende der Theater- bzw. Konzertferien. An den dem ersten Ausgleichzeitraum vorangehenden Tagen und an den dem letzten Ausgleichszeitraum nachfolgenden Tagen werden die Dienste anteilig berechnet.
…”.
Mit Schreiben von Oktober 1999 wandte sich der geschäftsführende Direktor des Philharmonischen Staatsorchesters an alle Orchestermitglieder (Anlage K 3, Bl. 11 ff. d.A.). Hier wurde mitgeteilt, dass für die Spielzeit 1999/2000 die Dienstverpflichtung nach § 15 TVK auf 7,5 Dienste heraufgesetzt wird.
Weiter heißt es in dem Schreiben u. a.:
„…
4. Die Berechnung von Diensterleichterungen ist vom Dienst-Soll und nicht mehr vom Durchschnitt der Gruppe vorzunehmen, wobei die Diensterleichterungsberechtigten (Konzertmeister und Mitglieder mit Sonderverträgen) im Höchstfalle weiterhin nur die Durchschnittsdienste der Gruppe zu leisten haben. …”
Mir Schreiben vom 30. August 2000 wandte sich die Beklagte an die Deutsche Orchestervereinigung hinsichtlich der Diensterleichterung für die Klägerin (Bl. 132 d.A.). Mit Schreiben vom 12. Juni 2001 machte der klägerische Prozessbevollmächtigte der Beklagten gegenüber die Rechtsauffassung der Klägerin deutlich, dass ihre Diensterleichterung sich auch weiterhin auf die tatsächlich von den Tutti-Bratschen geleisteten Dienste beziehe (Anlage K 4, Bl. 14 ff. d.A.).
Mit der am 21. August 2001 bei Gericht eingegangenen Klage hat die Klägerin ihre Rechtsauffassung weiterverfolgt. Sie hat geltend gemacht, die Berechnung von Diensterleichterungen nach dem Dienst-Soll und nicht mehr nach dem tatsäch...